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Facebook entdeckt den Chat neu

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Chats waren zusammen mit Foren Anfang der 90er-Jahre noch vor Blogs, Wikis und den sozialen Netzwerken, wie wir sie heute kennen, das beliebteste Kommunikationsformat im Internet. In Chaträumen konnten sich die Teilnehmer anonym und mit Pseudonym über alle erdenklichen Themen mit Menschen aus aller Welt unterhalten. Auch in der frühen Phase der Online-Aktivitäten von Tageszeitungen galten Chats als zukunftsträchtig. Inzwischen haben soziale Netzwerke und mobile Messenger wie WhatsApp die Chats längst verdrängt. Umso erstaunlicher, dass gerade Facebook mit seiner neuen App Rooms ein Revival initiiert.

Was ist Facebook Rooms?

Rooms ist eine mobile Anwendung für Smartphones, die das Erstellen und Verwalten von Chaträumen sowie die Teilnahme an bereits bestehenden ermöglicht. Neben der regulären App für die mobile Nutzung des persönlichen Accounts, der Messenger-App und weiterer Anwendungen, etwa für Facebook-Gruppen oder Facebook-Seiten, ist Rooms die jüngste App-Entwicklung des sozialen Netzwerks. Facebook setzt damit die Strategie fort, einzelne Funktionen in eigene Apps auszulagern, so wie jüngst mit der Messenger-App geschehen. Zum Start gibt es Rooms in einer kostenlosen Version für Apples iOS. Laut Facebook soll eine Android-Version im Frühjahr 2015 folgen.

Wie funktioniert Rooms?

Nach dem Herunterladen aus dem App-Store werden Anwendern zwei Möglichkeiten geboten. Entweder man nimmt teil an einem bereits bestehenden Chat oder aber man startet einen neuen. Wer einen neuen Chat selbst anlegt, wird automatisch zum Administrator. Anschließend kann er zusätzliche Teilnehmer zu Administratoren ernennen. Eine weitere Option ist, dass Chat-Inhalte moderiert werden können, bevor sie erscheinen. Der Inhaber des Chats kann außerdem entscheiden, ob Beiträge aus dem Chat über die Suchfunktion auffindbar sind oder nicht. Auch optisch gibt es ein paar Möglichkeiten, einen Chatraum individueller zu gestalten. Im Chat-Raum selbst können Teilnehmer Textinhalte, Fotos und Videos veröffentlichen, Smileys einbinden und die Beiträge und Kommentare anderer User kommentieren oder mit einem für jeden Raum frei wählbaren „Gefällt mir“-Symbol markieren.

Was ist das Besondere an Rooms?

Was bereits während der Installation auffällt: Untypisch für Facebook, verlangt die App nicht, dass man einen bestehenden Facebook-Account damit verknüpft. Diese Funktion ist erst gar nicht vorgesehen. Vordergründig heißt das, dass Rooms unabhängig von Facebook genutzt werden kann. Allerdings greifen im Hintergrund die gleichen AGBs wie beim Netzwerk selbst: Auch wenn die Nutzung anonym wirkt, werden im Hintergrund Daten gesammelt und bei Facebook zusammengeführt. Das Besondere an Rooms ist, dass Interessierte zu einem Chat-Raum nur Zugang erhalten, wenn sie eine Einladung erhalten haben. Solche Einladungen haben bei Rooms die Form von zweidimensionalen QR-Codes, die im Design der App wie digitale Bierdeckel aussehen. Die Codes können via Smartphone-Kamera mithilfe der App entweder vom Computer-Bildschirm, einem Plakat oder einer Zeitungsseite eingescannt werden. Alternativ dazu können innerhalb der App Einladungen im Verzeichnis der bereits vorhandenen Chats aufgerufen werden. Jeder Teilnehmer an einem Chat kann Einladungen an andere weiterleiten. Dazu bietet die App unterschiedliche Wege. Entweder man lädt die Einladungscodes als Foto auf das eigene Handy, versendet sie via Kurznachricht bzw. E-Mail oder aber man teilt sie auf Twitter oder Facebook. Spätestens dann ergibt sich also eine Anschlussstelle zu Facebook selbst.

Wie können Redaktionen Rooms verwenden?

Rooms ist erst seit Kurzem auf dem Markt und wird dementsprechend eine Weile brauchen, bis es sich in Deutschland verbreitet. Das sind gute Rahmenbedingungen, um zunächst zu experimentieren und Ideen zu entwickeln, wie die App sinnvoll genutzt werden kann. Das Fachmagazin Chip etwa ist bereits mit einem eigenen Chatraum bei Rooms vertreten und veröffentlicht dort aktuelle Techniknachrichten, Tipps und Tricks und lädt die User zum Dialog ein. Im lokalen Markt ist Gleiches denkbar für Tageszeitungen, die regionalen oder ressortspezifischen Inhalten eigene Räume eröffnen können. Mithilfe der QR-Code-Lösung für die Einladungen in Chats ist sogar ein crossmediales Szenario denkbar: In der gedruckten Ausgabe oder auf der Website können zu Ressorts oder sogar zu einzelnen Beiträgen aus der Berichterstattung QR-Codes gedruckt bzw. online verbreitet werden.

Fazit

Facebook überrascht und irritiert zugleich mit der Veröffentlichung von Rooms. Überraschend ist, dass die App ein Kommunikationsformat wiederbelebt, das bereits seit gut einem Jahrzehnt ein Nischendasein fristet. Wo Rooms im Social-Media-Kosmos zwischen der Facebook-Messenger-App und WhatsApp und der Konkurrenz seinen Platz finden wird, wird sich zeigen. Irritierend ist, dass Facebook, bekannt als Datensammler, einen Service anbietet, der anonym genutzt werden kann. Wie sich anhand der Funktionen aber zeigt, kommt die Verbindung zu Facebook quasi durch die Hintertür zustande. Dennoch ist die Möglichkeit der crossmedialen, Verzahnung ein interessanter Ansatz für Redaktionen.

Steffen Büffel

Autor

Steffen Büffel berät Verlage und Redaktionen in den Bereichen Workflow, Crossmedia, Social Media und Online- Strategien.
E-mail: steffen.bueffel@media-ocean.de
Internet: www.media-ocean.de

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