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Videos im Schnelldurchlauf

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Mit Vine (gesprochen: „Wein“) hat das Unternehmen Twitter einen neuen Dienst gestartet, mit dem sich via Smartphone kurze Videosequenzen produzieren und direkt ins Netz bringen lassen. Derzeit wird Vine in besonders technikaffinen und experimentierfreudigen Redaktionen auf Herz und Nieren geprüft, um herauszufinden, ob und wie der Dienst in der Berichterstattung sinnvoll genutzt werden kann.

Was ist Vine?

Pointiert gesagt: Video auf Speed. Gerade einmal sechs Sekunden lang darf der einzelne Beitrag sein. Videos auf Vine erinnern dadurch an Stop-Motion-Kino oder animierte GIF-Bilddateien. Denn: Es gibt keine fließenden Übergänge, sondern entweder am Stück aufgenommene Sequenzen oder aus mehreren Passagen zusammengesetztes Stückwerk. Vine ist mit diesem Ansatz kein Vorreiter: Bis Ende 2010 gab es mit 12seconds einen Dienst, der immerhin die doppelte Videolänge ermöglichte.

Was brauche ich, um Vine zu nutzen?

Vine ist derzeit nur als App für das Handy-Betriebssystem von Apple verfügbar. Es ist aber davon auszugehen, dass Versionen für andere Plattformen folgen werden. Da Vine eng an den Kurznachrichtendienst Twitter gekoppelt ist, wird der Nutzer nach der Installation dazu aufgefordert, Vine mit dem eigenen Twitter-Account zu verknüpfen. Wie bei vielen Social-Media-Diensten üblich, lassen sich auch bei Vine die eigenen Twitter-Kontakte direkt aufspüren und per Follower-Logik dem eigenen Vine-Profil hinzufügen.

Wie funktioniert Vine?

Die Installation und Einrichtung von Vine auf dem Smartphone ist schnell erledigt. Kleiner Nachteil: Es gibt noch keine deutschsprachige Version der Benutzeroberfläche. Dafür ist die App so übersichtlich und einfach gestaltet, dass man schnell loslegen und ein erstes Video erstellen kann. Dazu genügt ein Klick auf das Kamerasymbol, um in den Videomodus zu wechseln. Drückt man dann mit dem Daumen auf das Display, wird so lange aufgezeichnet, bis man den Daumen wieder hebt oder sechs Sekunden verstrichen sind. Durch Gedrückthalten und Loslassen ist es also möglich, die wenigen Sekunden mit unterschiedlichen Bildeinstellungen und Motiven zu füllen. Zwischen den Versatzstücken können Pausen gelegt werden. Sind die sechs Sekunden gefüllt, ist das Video fertig. Anschließend können eine kurze Textbeschreibung und ein Ort ergänzt werden, wobei bei der Ortsangabe auf die Datenbank von Foursquare zurückgegriffen wird. Natürlich darf eine Schnittstelle zu Facebook und Twitter nicht fehlen: Die App bietet die Option, dass die fertigen Videos nicht nur auf Vine.co hochgeladen werden, sondern auch direkt als Twitter- und Facebook-Beiträge erscheinen.

Welche Beispiele für die Verwendung im Online-Journalismus gibt es?

Die Berliner Morgenpost hat Szenen der Verleihung der Goldenen Kamera als Momentaufnahmen in mehrere Sechs-Sekünder gepackt. Die Ruhr-Nachrichten haben Vine genutzt, um Impressionen vom Treiben bei der Dortmunder Weiberfastnacht einzufangen. Zwei andere Ideen hat die Koblenzer Rhein-Zeitung umgesetzt: In einem Fall wurde in Zeitraffer-Optik die Entstehung der Print-Titelseite per Vine veranschaulicht, in einem anderen Beispiel ein Unfall dokumentiert. Weitere Beispiele hat Tobias Gillen in seinem Blog zusammengestellt.

Fazit

Vine schwankt zwischen den Polen geniales Storytelling auf kleinstem zeitlichen Raum und willkürlich zusammengestellten Flickenteppichen aus Videoschnipseln. Vor allem journalistisch motivierte Nutzer müssen aber noch überzeugendere Formate und Ideen entwickeln, um Vine zu einer sinnvollen und seriösen Ergänzung der Online-Berichterstattung zu machen und die Möglichkeiten des Dienstes voll auszuschöpfen. Wie die genannten Beispiele zeigen, hat Vine durchaus Potenzial, ist im journalistischen Kontext aber derzeit noch ein Wackelkandidat – im doppelten Sinne.

Steffen Büffel

Autor

Steffen Büffel berät Verlage und Redaktionen in den Bereichen Workflow, Crossmedia, Social Media und Online- Strategien.
E-mail: steffen.bueffel@media-ocean.de
Internet: www.media-ocean.de

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