Interview

„Lokale News plus Blog plus Community"

von

Wie kann man spannenden Lokaljournalismus für junge Leute im Internet machen? Seit fünf Jahren suchen die Macher der Online-Plattform fudder.de täglich eine Antwort auf diese Frage und sind dabei schon weit gekommen, wie der Grimme Online Award beweist, den sie 2007 erhalten haben. Markus Hofmann leitet das Projekt der Badischen Zeitung von Beginn an. Den fünften Geburtstag, den Fudder im Januar 2011 feierte, hat die drehscheibe zum Anlass genommen, den Fudder-Chef Bilanz ziehen zu lassen.

Herr Hofmann, im vergangenen Monat ist fudder.de fünf Jahre alt geworden. Wie hat alles angefangen?

Fudder wurde vor gut 6 Jahren konzipiert. Die initiale Fragestellung lautete damals: Wie kann ein Zeitungsverlag junge Menschen, die von der klassischen Tageszeitung immer seltener erreicht werden, als Leser zurückgewinnen? Wir haben dann über unterschiedliche Produkte diskutiert, zum Beispiel über eine Tabloid-Zeitung. Am Ende sind wir aber beim Internet gelandet, da wir der Meinung waren, dass eine Website eigentlich das Medium ist, mit dem man unsere Zielgruppe, junge Menschen zwischen 17 und Anfang 30 in einer Universitätsstadt wie Freiburg, am Besten erreicht. Ein zweiter Aspekt für die Entwicklung von Fudder war, das Medium Internet zu verstehen, denn es war 2005 absehbar, dass dieses Medium für das ganze Medienhaus in seiner Bedeutung stark wachsen würde. Also haben uns bei Fudder auch die Fragen begleitet: „Wie funktioniert Onlinejournalismus im Lokalen?“, „Wie funktioniert Online-Vermarktung im Lokalen?“ Die Seite ist dann seit ihrem Start kontinuierlich gewachsen – heute verzeichnen wir monatlich rund 600.000 Visits und 2.5 bis 3 Millionen Page Impressions. Auch das Team ist größer geworden. Am Anfang bestand unser Redaktionsteam aus zwei und später drei Leuten und es ist auch immer noch so, das die Kernredaktion aus drei jungen festen Mitarbeitern besteht, die die Seite täglich betreuen. Doch inzwischen gibt es auch etwa 50 freie Mitarbeiter, gerade aus dem universitären Umfeld, die das Kernteam ergänzen. Fudder ist dann am 3. Januar 2006 ohne große Einführungskampagne gelauncht worden und wir haben gewissermaßen Onlinejournalismus am lebenden Objekt erlernt.

Haben Sie auf die Frage, wie Onlinejournalismus im Lokalen funktioniert, inzwischen eine Antwort gefunden?

Die Ausgangsfrage war ja eher: Interessieren sich junge Menschen überhaupt für Lokaljournalismus? Also für das, was in ihrem Ort passiert und wenn ja, wie kann man jungen Menschen Lokaljournalismus spannend präsentieren. Das ist eigentlich die wichtigste Erkenntnis aus diesem Projekt würde ich sagen, dass die Akzeptanz und die Resonanz unserer Zielgruppe in Bezug auf Fudder sehr positiv waren. Wir haben gemerkt, dass lokalen Nachrichten von Menschen aus der Stadt eine große Relevanz beigemessen wird. Lokale Geschichten funktionieren am Besten und eben nicht irgendwelche Klatsch- und Lifestyle-Storys über Robbie Williams und Lady Gaga, die es überall im Internet zu lesen gibt. Die große Bedeutung von lokalen Inhalten für die Reichweite von Fudder war auch eine wichtige Erkenntnis für den Relaunch der Mutterseite Badische Zeitung Online, die vor gut zwei Jahren grundlegend überarbeitet und auch aufgrund der Erfahrungen bei Fudder sehr stark regional positioniert worden ist.

Und können Sie feststellen, ob auch manche Ihrer Leser zur Badischen Zeitung übergesprungen sind?

Was die gedruckte Zeitung betrifft, können wir das nicht seriös messen, aber wir verlinken Inhalte der Badischen Zeitung systematisch auf Fudder und versuchen auf diese Weise der Mutterseite Traffic zuzuführen. Das sind monatlich mehr als 20.000 Besucher, die so auf die Seite der Badischen Zeitung kommen. Also kann man sagen, dass wir schon einen Teil der Leute, die wir mit Fudder erreichen, zumindest online zu Lesern der Badischen Zeitung machen konnten.

Welche Stationen in den letzten fünf Jahren Fudder sind Ihnen am stärksten im Gedächtnis geblieben?

Ein Highlight war auf jeden Fall der Grimme Preis, den wir 2007 gewonnen haben. Ganz einfach, weil damit sowohl auf nationaler Ebene, aber auch auf lokaler Ebene gezeigt wurde, dass Fudder ein Projekt ist, das Anerkennung findet, und das nicht nur bei jungen Menschen. Andere Highlights waren redaktionelle Beiträge, mit denen wir bundesweit für Resonanz gesorgt haben, die stark verlinkt worden sind oder die sehr oft gelesen wurden. Ein weiterer wichtiger Punkt war 2008 die technische Weiterentwicklung der Seite um Community-Elemente, die unseren Nutzern die Möglichkeit geben, sich zu vernetzen und sich auszutauschen. Das ist technisch ein Meilenstein gewesen. Seitdem kann man Fudder am Besten mit der Formel „Lokale News plus Blogs plus Community“ beschreiben.

Eine Social Community mit lokalem Bezug also?

Jein. Es ist nicht unser Ziel, ein lokales Facebook zu machen. Da hätten wir technisch gegen eine Plattform wie Facebook auch überhaupt keine Chance. Das, was wir am Besten können, ist Journalismus. Wir versuchen deshalb eher, Facebook intelligent mit Fudder zu vernetzen. Trotzdem werden unsere Community-Funktionen intensiv genutzt und stellen einen wesentlichen Teil der Seite dar.

Sie haben eben auch von Geschichten gesprochen, die bundesweit für Resonanz gesorgt haben. Welche waren das beispielsweise?

Da fällt mir als Erstes die Geschichte ein über Hartmut Esslinger, den Vater eines Fudder-Mitarbeiters. Dieser war in den 80er Jahren für Apple Designer bei Frog Design. Er hatte in seinem Privatarchiv Aufnahmen von Apple-Telefongeräten, die er in den 80er Jahren mitdesignt hat, die aber nie auf den Markt gekommen sind. Also quasi die allerersten iPhones. Das haben wir dann in eine Geschichte verpackt als das iPhone auf den Markt kam, die dann sowohl in Amerika als auch in Deutschland extrem stark verlinkt worden ist. Ein anderes Beispiel für eine Geschichte, die sehr gut ankam, ging über die Diplomarbeit einer unserer Autoren, in der er sich mit dem Mythos Generation Praktikum beschäftigte und widerlegt hat, das junge Universitätsabsolventen längere Zeit im Praktikum verbringen als Generationen davor. Das ist auch sehr stark verlinkt worden. Und dann gab es einen Beitrag über einen Kandidaten von Deutschland sucht den Superstar, der aus der Nähe von Freiburg stammt und auf Fudder über DSDS hinter den Kulissen berichtet hat. Das hat die Bild-Zeitung sogar als Aufmacher übernommen.

Gab es auch Geschichten, die entgegen Ihrer Erwartung nicht gut ankamen?

Ja, sicher. Wir sehen das auch immer etwas als Mischkalkulation und wählen Themen nicht nach Quote aus. Wenn wir der Meinung sind, dieses oder jenes wäre ein interessantes Thema, dann machen wir das, auch wenn wir wissen, dass die Resonanz in Klicks sehr überschaubar sein wird. Wir probieren sehr viel aus und es darf dabei auch mal etwas schief gehen. Einmal haben wir mit einem Handy versucht live zu streamen. Da ist eine Mitarbeiterin in die alte Freiburger Universitätsbibliothek gegangen und hat live gestreamt, wie dort die Abrissarbeiten durchgeführt wurden. Das war zwar innovativ, die Bildqualität jedoch war absolut unbefriedigend.

Die Zielgruppe von Fudder sind ja junge Leute bis Anfang 30. Wird also nur über „junge“ Themen berichtet?

Wir sind kein Vollprogramm und personell bei weitem nicht so stark besetzt wie die Badische Zeitung, die ein lokales Vollprogramm macht. Daher müssen wir Schwerpunkte setzen und stellen uns bei der Themenauswahl immer die Frage, ob diese relevant für unsere Zielgruppe sind. Das können dann aber auch Themen sein, die auf den ersten Blick gar nicht unbedingt als typisches Jugendthema erscheinen, die aber total gut funktionieren, wie die Frage, wo die Dreisam in den Rhein mündet. Da denkt man zunächst, dass diese Frage nur Heimatkundler interessiert, aber keine jungen Leute. Das Gegenteil war aber der Fall.

Was sind denn Dauerbrenner auf Fudder?

Im Prinzip all das, was einen hohen Nachrichtengehalt hat und wo eine starke Geschichte hinter steht. Als Beispiel fällt mir ein Bericht über eine Gruppe von Behinderten ein, die in Freiburgs Edeldiskothek vom Türsteher abgewiesen wurden und nicht rein gekommen sind. Solche Geschichten werden dann auf Facebook geteilt und empfohlen und finden weitere Leser. Das ist ja auch der typische Mechanismus von Internetjournalismus.

Was vermissen denn die jungen Leuten bei der Papierzeitung? Warum greifen sie so selten zum gedruckten Blatt?

Das hat mit der veränderten Mediennutzung zu tun, damit, dass digitale Medien für viele junge Menschen attraktiver sind, weil sie multimedial und interaktiv sind. Das ist sicher ein Gattungsnachteil der Zeitung. Ein weiterer Grund könnte auch darin liegen, dass die Themenmischung der Zeitung zu wenig die Präferenzen von jungen Menschen anspricht. Das hängt vielleicht mit der Altersmischung in den Redaktionen zusammen, da sind eben die Sprache und der Blick auf Themen eher von Redakteuren geprägt, die 40, 50 oder 60 sind.

Dennoch leben die Verlage immer noch vom Geschäftsmodell gedruckte Zeitung. Trägt sich denn eigentlich fudder als reinen Online-Projekt?

Auf Kosten und Erlöse möchte ich nicht eingehen. Aber grundsätzlich ist es ja so, dass der lokale Anzeigenmarkt im Internet nach wie vor ein sehr junger Markt ist. Das heißt, die lokalen Händler, die wir auch schon über die Tageszeitung als Kunden haben, entdecken das Internet gerade erst für sich als Werbemedium. Insgesamt wird nach meiner Einschätzung im Bereich des lokalen Anzeigenmarktes im Internet in den nächsten Jahren eine enorme Entwicklung stattfinden, denn da stürzen sich viele Plattformen drauf, beispielsweise auch Facebook und Groupon. Von daher bin ich sehr zuversichtlich, was die Zukunft von lokalen journalistischen Plattformen betrifft.

Wie soll es mit Fudder in Zukunft weitergehen?

Als nächstes werden wir, hoffentlich im ersten Quartal 2011, eine mobile Version der Seite herausgeben. Wir tragen damit der Tatsache Rechnung, dass inzwischen viele Leute mit Smartphones unterwegs sind und auch unterwegs auf ihrem Handy Informationen wünschen. Weiter planen wir einen grundlegenden optischen und architektonischen Relaunch der Seite. Das wollen wir gern im intensiven Dialog mit unseren Nutzern machen. Ich stelle mir das so vor, dass wir einen kleinen Leserrat bilden, der konzeptionell mit uns in der Redaktion darüber diskutiert, wie sich die Seite weiterentwickeln soll. Der Leserrat soll uns ein Feedback über Fudders Stärken und Schwächen geben und auch mit uns darüber diskutieren, wie sich Journalismus im Internet finanziell weiterentwickeln kann. Ein User-Generated-Relaunch sozusagen. Und ein User-Generated-Geschäftsmodell.

Interview: Kathrin Justen

Markus Hofmann

... ist Projektleiter von Fudder aus Freiburg.

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