Ein Fall für den Presserat

Pauschales Urteil

von

Eine Zeitung attestiert den Roma unter Berufung auf vermeintliche Experten, kein „Verhältnis zum Eigentum“ zu haben. Ein Leser beschwert sich.

Der Fall:

Gedruckt und online berichtet eine Regionalzeitung über die Bevölkerungsentwicklung am Verlagsort. Im Besonderen geht es um Bulgaren und Roma. Die Gegend sei „zu einer Hochburg für Bulgaren geworden“, heißt es im Text. Und weiter: „Ein Problem ist nach Ansicht von Experten die Tatsache, dass viele Roma kein Verhältnis zum Eigentum hätten.“ Ein Leser der Regionalzeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Die Formulierung vom Verhältnis der Roma zum Eigentum sei diskriminierend und verstoße gegen Ziffer 12 (Diskriminierungen) des Pressekodex. Dadurch würden Menschen als Diebe von Geburt an dargestellt. Die angeblichen Experten würden nicht benannt. Die Formulierung „Hochburg“ klinge zudem nach einer Gefahr durch riesige Menschenmassen.

Die Redaktion:

Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, dem Artikel seien umfangreiche Recherchen in den betroffenen Stadtteilen vorangegangen. Die Autorin habe mit Schulleitern, Schülern und Vertretern der Organisationen gesprochen, die in den Stadtteilen mit Sozialarbeit befasst seien. Da diese aus verständlichen Gründen hätten anonym bleiben wollen und müssen, habe sich die Autorin mit dem eventuell unglücklich gewählten Begriff „Experten“ geholfen. Bezüglich der Roma habe es sich um mehrfach deckungsgleiche Aussagen gehandelt – auch aus dem Mund mancher, die bei der Einschätzung dieses sensiblen Themas immer sehr vorsichtig und überlegt gesprochen hätten.

Das Ergebnis:

Die Berichterstattung verstößt gegen die Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen). Der Presserat spricht einen Hinweis aus. Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist der Passus: „Ein Problem ist nach Ansicht von Experten die Tatsache, dass viele Roma kein Verhältnis zum Eigentum hätten.“ Nach Ansicht des Presserates wird unter Berufung auf anonyme Experten ohne empirische Untermauerung ein abwertendes pauschales Werturteil über Roma gefällt. Die Äußerung diskriminiert eine gesamte Bevölkerungsgruppe und widerspricht damit den Grundsätzen des Diskriminierungsschutzes im Pressekodex.

Der Kodex:

Ziffer 12

Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.

Richtlinie 12.1 – Berichterstattung
über Straftaten

In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

Edda Eick

Autorin

Edda Eick ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.

Telefon (030) 36 70 07-0
E-Mail: eick@presserat.de

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