Urteil

Aus geschützter Quelle

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Das Schweizer Bundesgericht hat entschieden, dass eine Journalistin den Namen ihres Informanten preisgeben muss. Wäre so eine Verpflichtung auch in Deutschland möglich?

Im Oktober 2012 erschien in der Baseler Zeitung ein Artikel über einen Drogendealer. Die Autorin des Beitrags hatte den Namen des Dealers nicht genannt, sondern das Pseudonym Roland genutzt. Roland gab in der Zeitung Einblicke in sein Geschäft. Der Leser erfuhr beispielsweise, dass er seit mehr als zehn Jahren mit „Gras, Haschisch und Blütenstaub“ handle und damit jährlich 12.000 Franken verdiene.

Die Staatsanwaltschaft Basel leitete aufgrund des Artikels ein Strafverfahren gegen unbekannt ein und lud die Journalistin als Zeugin vor. Die Behörde sah darin die einzige Möglichkeit, die Identität von Roland in Erfahrung zu bringen. Ein Zeugnisverweigerungsrecht stand der Journalistin nach Ansicht der „Staatsanwaltschaft nicht zu. Dies sah das von der Journalistin angerufene Appellationsgericht anders. Gegen diese Entscheidung legte der Schutz von Informanten ist unerlässlich.

Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft jedoch Rechtsmittel ein und bekam vor dem Schweizer Bundesgericht Recht. Die Begründung lautete: Roland werde einer Straftat verdächtigt, die vom Gesetzgeber als so schwer angesehen wird, dass das der Journalistin an sich zustehende Zeugnisverweigerungsrecht entfalle.

Geregelt sind diese Katalogstraftaten unter anderem in der Schweizer Strafprozessordnung (StPO) unter dem Stichwort „Quellenschutz“. In Artikel 172 Strafprozessordnung sind besonders schwerwiegende Straftaten aufgezählt, bei deren Aufklärung sich Journalisten ausnahmsweise nicht auf den Quellenschutz berufen können. Der Fall Roland fiel unter diese Ausnahmeregelung, weil sich der mutmaßliche Dealer möglicherweise eines qualifizierten Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht hatte, da er mehr als 10.000 Franken pro Jahr mit seinen Drogenverkäufen erzielt hatte.

Die Entscheidung des Schweizer Bundesgerichts hat unter Schweizer Journalisten verständlicherweise für erhebliches Aufsehen gesorgt. Wäre so eine Aussageverpflichtung auch vor deutschen Gerichten vorstellbar? Die Antwort lautet nein – allerdings mit einer Ausnahme, denn auch im deutschen Recht ist das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten nicht schrankenlos gewährleistet. Geregelt ist es in Deutschland in den Verfahrensordnungen, also insbesondere in der Strafprozessordnung und in der Zivilprozessordnung. Das Zeugnisverweigerungsrecht umfasst sowohl die Identität des Informanten und den Inhalt der von diesem gemachten Mitteilungen als auch den Inhalt des selbst recherchierten oder ohne Mithilfe des Informanten hergestellten Materials. Journalisten dürfen also die Beantwortung von Fragen nach dem Informanten und auch nach dem Verfasser von Texten verweigern.

Das Zeugnisverweigerungsrecht versagt in der Regel dann, wenn die Medien die Identität eines Informanten bereits selbst preisgegeben haben und die Befragung zum Beispiel nur noch darauf gerichtet ist, den Aufenthaltsort des Informanten zu ermitteln. Das Zeugnis über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien darf dann nicht verweigert werden, wenn die Aussage zur Aufklärung eines bestimmten Verbrechens beitragen soll, wie zum Beispiel „Friedensverrat“ oder „Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats“. Allerdings gilt diese Ausnahme dann nicht, wenn die Aussage zur Offenbarung des Informanten führen würde; dann dürfen Journalisten wieder von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen.

Das Zeugnisverweigerungsrecht ist im deutschen Recht also weiter gefasst als in der Schweizer Rechtsordnung. Das ist auch gut so, weil nur das Zeugnisverweigerungsrecht Redaktionen ermöglicht, ihren Informanten Anonymität zuzusichern. Ohne den Schutz ihrer Informanten wären die Medien in vielen Fällen nicht in der Lage, die Informationen zu erhalten, durch deren Offenlegung sich die Informanten selbst in Schwierigkeiten bringen, weil sie zum Beispiel gegen Verschwiegenheitsverpflichtungen verstoßen. Der Schutz von Informanten ist unerlässlich dafür, dass die Medien die ihnen obliegende Kontrolle staatlicher Gewalt ausüben können.

Oliver Stegmann

Autor

Dr. Oliver Stegmann ist als Rechtsanwalt in Hamburg zugelassen und Partner der Kanzlei Esche Schümann Commichau. Zuvor hat er unter anderem als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet und zu einem presserechtlichen Thema promoviert.

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