Spionage in der Redaktion

Informant unter Verdacht

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Dürfen Redaktionsräume und Wohnungen von Journalisten durchsucht werden, wenn Informanten möglicherweise Straftaten begangen haben?

Die Pressefreiheit schützt die Presse unter anderem vor Eingriffen des Staates in die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit und das Vertrauensverhältnis zwischen der Presse und ihren Informanten. Journalisten sind auf Informanten angewiesen, die aber in der Regel nur dann zur Weitergabe von Informationen bereit sind, wenn sie sich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen können. Zwar kann die Pressefreiheit durch allgemeine Gesetze eingeschränkt werden, zu denen auch die Strafprozessordnung zählt. Diese verpflichtet jeden Staatsbürger zur Mitwirkung bei der Wahrheitsfindung und Duldung von Ermittlungsmaßnahmen, wie etwa Durchsuchungen. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Garantie der Pressefreiheit nimmt die Strafprozessordnung allerdings Presseorgane und deren Angehörige grundsätzlich von diesen Verpflichtungen aus.

So unterliegt Redaktionsmaterial einem Beschlagnahmeverbot, und Mitarbeitern der Presse wird ein Zeugnisverweigerungsrecht gewährt. Auf diese Ausnahmen kann sich die Presse jedoch nicht berufen, wenn ein Pressevertreter selbst unter dem Verdacht steht, eine Straftat begangen oder daran mitgewirkt zu haben. Wie aber sieht die Rechtslage aus, wenn sich der Verdacht nur gegen einen Informanten richtet? Mit dieser Frage beschäftigen sich zwei Beschlüsse, die das Bundesverfassungsgericht am 13. Juli 2015 verkündete. Dabei ging es um die Frage der Rechtmäßigkeit von Durchsuchungen der Redaktionsräume und der Privatwohnung eines Journalisten der Berliner Morgenpost im November 2012. Das Gericht befand beide Durchsuchungen für verfassungswidrig.

Bei seiner Entscheidung ging es davon aus, dass die Durchsuchungen in erster Linie der Ermittlung belastender Tatsachen gegen einen möglichen Informanten gedient hatten. Bei diesem Informanten handelte es sich um einen Polizeibeamten, der verdächtigt wurde, gegen Bezahlung Informationen über eine bevorstehende Razzia an die Presse weitergegeben zu haben. Für einen Informationsaustausch zwischen dem betroffenen Journalisten und dem Polizeibeamten im Zusammenhang mit der geplanten Razzia sah das Gericht keine Anhaltspunkte. Insbesondere hatte die Berliner Morgenpost nicht als Erste über die geplante Razzia berichtet.

Einzige Anhaltspunkte der Strafverfolgungsbehörde waren die Telefonnummer des Journalisten im Telefon des Polizeibeamten und eine Reise nach Amsterdam, die beide im Frühjahr 2011 gemeinsam unternommen hatten. Die Reise hatte der Recherche des Journalisten gedient; den Polizeibeamten hatte er dafür als Sicherheitsexperten engagiert.

Im Ergebnis stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass ein Verdacht gegen den Journalisten im Hinblick auf die Mitteilung der geplanten Razzia nicht gegeben war. Das Interesse der Strafverfolgungsbehörden an der Ermittlung von belastenden Tatsachen gegen den Polizeibeamten sah das Gericht als nicht ausreichend an, um die Pressefreiheit einzuschränken. Entsprechend stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Durchsuchungen verfassungsrechtlich unzulässig gewesen sind.

Mit diesen Beschlüssen setzt das Bundesverfassungsgericht seine ständige Rechtsprechung fort, mit der es der Presse umfassenden Informantenschutz gewährt und strenge Regeln für die Rechtmäßigkeit von Durchsuchungen bei Presseorganen und deren Angehörigen aufstellt. Bereits im Februar 2007 hatte das Bundesverfassungsgericht im Fall Cicero festgestellt, dass jede Durchsuchung von Presseräumen wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit und der Gefährdung des Informantenschutzes einen Eingriff in die Pressefreiheit darstelle. Ein solcher Eingriff könne allein durch den Verdacht einer Straftat eines Informanten nicht gerechtfertigt werden.

Anke Wilhelm

Autorin

Anke Wilhelm ist selbstständige Anwältin und Legal Counsel von Tom Tailor.
Telefon: 0160 – 774 62 07
E-Mail: anke.wilhelm@gmx.net

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