Presserat

Falschen Eindruck erweckt

von

aus drehscheibe 07/2021

Der Fall 

Eine Regionalzeitung berichtet online über den Leiter des örtlichen Impfzentrums. Im Bericht geht es auch um die Frage, ob es Versuche gebe, durch Bestechung an frühere Termine zu kommen. Er sei nicht bestechlich, betont der Leiter des Impfzentrums und lässt sich mit dem Satz zitieren: „Ich würde nicht mal meine Mutter impfen.“ Der Facebook-Auftritt der Redaktion steht unter der Schlagzeile: „Ich würde nicht mal meine Mutter impfen: Jetzt spricht der Chef des Impfzentrums“. Ein Leser der Zeitung sieht mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Im Artikel gehe es um Bestechungsversuche, denen der junge Leiter des Impfzentrums ausgesetzt sei und um seine klare Positionierung beim Thema Bevorzugung. In diesem Kontext stimme die Aussage, er würde nicht mal seine Mutter impfen. Die bei Facebook verwendete Überschrift suggeriere aber eine Anti-Impf-Position des Leiters des Impfzentrums.

Die Redaktion 

Der Autor des Beitrags teilt mit, es sei die Absicht der Redaktion gewesen, auf die Unbestechlichkeit des Leiters des Impfzentrums hinzuweisen. Die Lesart, die Überschrift könne den Mann als Impf-Skeptiker dastehen lassen, teile die Redaktion nicht. Die negative Resonanz auf den Facebook-Post habe den Autor jedoch veranlasst, am nächsten Tag die Überschrift zu ändern. Er betont, dass die Formulierung in bester Absicht gewählt worden sei.


Das Ergebnis 

Der Post verstößt gegen die Ziffern 1, 2 und 9 des Pressekodex. Der Beschwerdeausschuss spricht eine Missbilligung aus. Ausschlaggebend ist, dass im Facebook-Beitrag jegliche Einordnung des Zitats fehlt. Für sich genommen erweckt das Zitat den Eindruck, der Leiter des Impfzentrums habe Vorbehalte gegen die Impfung. Das trifft jedoch nicht zu. Dass eine „Auflösung“ in dem verlinkten Beitrag gegeben wird, kann die Zeitung nicht entlasten. Entsprechend dem Click-Verhalten im Internet konnte sich die Redaktion nicht darauf verlassen, dass die Nutzer den ganzen Beitrag lesen. Insoweit ist allein der Facebook-Post für die presseethische Beurteilung entscheidend. Dieser Post verstößt gegen Ziffer 1 des Kodex, die Redaktionen zur Wahrung des Ansehens der Presse und Achtung der Wahrheit verpflichtet, sowie gegen die journalistische Sorgfalt nach Ziffer 2 des Pressekodex. Schließlich verletzt der Post den Leiter des Impfzentrums in seiner Ehre, denn er erweckt den unzutreffenden Eindruck, er sei ein Impf-Kritiker. Das berührt die Ziffer 9 des Kodex.

 

Kodex

Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

Ziffer 2 – Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.

Ziffer 9 – Schutz der Ehre

Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.



E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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