Presserat

Sensationell Angst geschürt

von

aus drehscheibe 13/23

Der Fall 

Ein Anzeigenblatt übernimmt als „Eilmeldung“ betitelt die Pressemitteilung einer Notfall-Vorsorge-Beratung. Hierin warnt die Beratungsstelle angesichts der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke davor, dass vor allem Deutschland wie nie zuvor von einem Blackout bedroht werde.Die Leser hätten nur noch wenige Tage zum Einkaufen und Vorsorgen. Der Staat könne ihnen, wenn es so weit sei, nicht helfen. Eine Beschwerdeführerin kritisiert, die Redaktion würde falsche Tatsachen behaupten. Weder Deutschland noch Europa seien durch die Abschaltung akut von einem „großflächigen und langfristigen“ Blackout bedroht. Auch die Aussage, der Staat könne in diesem Fall nicht helfen, sei in ihrer Pauschalität falsch.

Die Redaktion 

Die Redaktion beruft sich auf ihr Impressum. Demnach gäben alle mit Namen gekennzeichneten Artikel die Meinung des Verfassers wieder und unterlägen ausschließlich seiner Verantwortung. Ihre Mitarbeiterin habe die Telefonnummer der Beratungsstelle überprüft. Somit habe sie im Sinne des Pressekodex richtig und ausreichend gehandelt. Sollte die Beschwerdeführerin Pro­bleme mit dem Inhalt des Textes haben, müsse sie gegen die Beratungsstelle vorgehen.

Das Ergebnis 

Der Presserat erkennt Verstöße gegen die Wahrhaftigkeit nach Ziffer 1, die Sorgfalt nach Ziffer 2 und sieht eine Sensationsberichterstattung nach Ziffer 11 des Pressekodex. Er spricht eine Rüge aus. Bei dem Text handelt es sich um eine Pressemitteilung. Gemäß Ziffer 1, Richtlinie 1.3 des Pressekodex sind Pressemitteilungen als solche zu kennzeichnen. Die Bezeichnung als „Eilmeldung“ der Beratungsstelle stellt keine ausreichende Kennzeichnung dar. Weiterhin verletzt die Veröffentlichung die journalistische Sorgfalt nach Ziffer 2.

Wie die Beschwerdeführerin darlegt, sind verschiedene Tatsachenbehauptungen in der übernommenen Mitteilung in ihrer Pauschalität unzutreffend. Hier hätte es die Sorgfalt geboten, den Sachverhalt nachzurecherchieren. Wenn sich die Redaktion darauf beruft, laut Impressum übernehme sie keine inhaltliche Verantwortung für mit Namen gekennzeichnete Beiträge, kann sie sich nicht entlasten. Presseethisch trägt sie für alle Veröffentlichungen im redaktionellen Bereich die volle inhaltliche Verantwortung. Die gewählte Art der Darstellung bewertet der Presserat als unangemessen sensationell im Sinne von Ziffer 11 des Pressekodex. Die Darstellung scheint geeignet, unbegründete Ängste zu schüren.

Kodex

Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

Ziffer 2 - Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Ins­trument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche kenntlich zu machen. (...)

Ziffer 11 - Sensationsberichterstattung, Jugendschutz

Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse achtet den Jugendschutz.

Autorin

Kerstin Lange ist Referentin für Recht und Redaktionsdatenschutz beim Deutschen Presserat.

E-Mail: lange@presserat.de

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