Ein Fall für den Presserat

Verfälschte Herkunft

von

Eine Zeitung verlässt sich auf die Aussage eines Gesprächspartners und ordnet ihm die falsche Nationalität zu. Hätte sie besser recherchieren müssen? Von Oliver Schlappat

Der Fall:

Eine Lokalzeitung stellt Wirte und Restaurantbetreiber der Stadt im Rahmen einer ausführlichen Serie von Artikeln vor. Darunter auch den Betreiber eines griechischen Lokals. Der Artikel nennt seinen Namen und lässt ihn seine Geschichte schildern. Er sei auf Kreta geboren worden, berichtet er. In Griechenland habe bereits seine Mutter in der Gastronomie gearbeitet, die Familie sei dann nach Deutschland ausgewandert, als er zehn Jahre alt gewesen sei. Heute stehe seine Mutter in der Küche, während er bediene, denn sie kenne die beliebten Familienrezepte. Der Beschwerdeführer, ein konkurrierender Betreibereines Restaurants aus der Umgebung, sieht einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht: Es handele sich bei dem beschriebenen Wirt überhaupt nicht um einen Griechen, sondern um einen Mann mit anderer Staatsbürgerschaft. Das hätte die Redaktion recherchieren müssen. Noch dazu hätte sie es besser wissen können, da es in der Vergangenheit in dem Lokal einen großen Polizeieinsatz gegeben habe, aus dessen Umständen die Zeitung den Schluss hätte ziehen müssen, dass die Angabe, der Betreiber sei Grieche, nicht zutreffend sei.

Die Redaktion:

Die Serie über die Wirte der Stadt sei von mehreren freien Mitarbeitern erstellt worden. Diese hätten die Wirtein ihren Lokalen aufgesucht und mit ihnen gesprochen. Dabei könne man jedoch nicht erwarten, dass sie die Ausweise der Wirte kontrollieren, um sicherzustellen, dass die angegebene Nationalität und die persönlichen Angaben stimmen. Im vorliegenden Fall habe es nach Erscheinen des Artikels einen anonymen Anruf gegeben, bei dem jemand behauptet habe, der abgebildete Mann sei kein Grieche. Die Redaktion habe daraufhin mit einem den Umständen angemessenen Aufwand recherchiert, diese Behauptung aber nicht bestätigen können.

Das Ergebnis:

Die Beschwerde ist unbegründet.Die Ziffer 2 des Pressekodex verlangt zwar, dass zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben sind. In diesem Fall konnte der Autor des Beitrags dem Betreiber des Restaurants jedoch Glauben schenken, als dieser ihm seinen Namen und seine Nationalität mitgeteilt hat. Es hat keinerlei Anlass für den Journalisten bestanden, an diesen Angaben zu zweifeln und die Identität des Mannes infragezustellen. Die Frage, ob der Wirt nun Grieche ist oder nicht, war für die Berichterstattung auch nicht so entscheidend, dass die Redaktion aufgrund eines anonymen Hinweises eine aufwendige Recherche zu seiner tatsächlichen Herkunft hätte anstellen müssen.

Der Kodex:

Ziffer 2 – Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.

Oliver Schlappat

Autor

Oliver Schlappat ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Presserat.
Telefon 030 – 36 70 07-13
E-Mail: schlappat@presserat.de

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