"Ja, so war Husum. So war Macht ohne Moral!"

Flensburger Tageblatt
01.01.1970
Als Geschichtsprojekt einer Tageszeitung ohne Vorbild: Das komplette Jahrhundert in Schleswig-Holstein nahm das Flensburger Tagesblatt in Augenschein - in Kooperation mit Wissenschaftlern, Fernsehen und Hörfunk, Schulen und Privatleuten. Projektdauer: zwei volle Jahre. Werkstatt-Text aus der Drehscheibe: Mit seiner Jahrhundert-Story beschreitet das Flensburger Tageblatt im sh:z-Verlag ungewöhnliche Wege: - Thema: ein ganzes Jahrhundert - Projektdauer: über zwei Jahre - Projektpartner: Wissenschaftler, Fernsehen und Hörfunk (NDR, die Konkurrenz zur eigenen Privatfunk-Beteiligung), 154 Schulen, bisher etwa 400 Leser - Personalaufwand: Ständig ca. 1,5 Redakteursstellen - Resonanz: national - Freunde: U.a.. Israels Botschafter Avi Primor, Bildungsminister Jürgen Rüttgers, Ministerpräsidentin Heide Simonis Vision: Museum in Flensburg könnte die Ergebnisse des Projekts dokumentieren Das eigene Erleben kann die Story des Jahrhunderts prägen: Die Umsiedlung der eigenen Internat-Förderschule aus der ehemaligen DDR nach St. Peter-Ording oder die Schneekatastrophe 1979. Leser berichten darüber im Lokalen oder auf durchlaufenden "Echo-Seiten", Redakteure beschreiben Ausstellungen und Reaktionen darauf. Sämtliche Leserzusendungen werden dokumentiert, und sei es als kurzer Hinweis auf das jüngst eingetroffene Tagebuch. Das Team um Prof. Dr. Uwe Dankert, der alle drei Wochen eine "Story" schreibt, ist dafür verantwortlich. Ein Redakteur mit historischem Fachwissen ist ausschließlich für die Betreuung der Schulen abgestellt, ein zweiter unterstützt ihn dabei ebenso wie das Wissenschaftler-Team. Sämtliche Schulformen haben sich engagiert. Vom Verlag werden sie mit Klassensätzen der Zeitung am Erscheinungstag der Story versorgt . "Es ist uns gelungen, junge Leute zu begeistern", sagt Stephan Richter, Chefredakteur des Flensburger Tageblatts und Spiritus rector des Projekts. Als Stephan Richter die Projekt-Idee umzusetzen begann, hätten Marketing-Überlegungen noch gar keine Rolle gespielt, sagt er. Die "Jahrhundert-Story? hat sich dann in einem Maß verselbständigt, dass die Zeitung mit gestärktem Selbstbewußtsein aus der Unternehmung hervorgeht. Ganz offensiv werde den jungen Leuten nun gesagt: "Jetzt habt ihr die Möglichkeit zu vergleichen, und Ihr werdet sehen, die Zeitung steht nicht schlecht da." Vergleichen können die Leser zwischen den Filmen und Hörfunkbeiträgen des Norddeutschen Rundfunks und denen der Zeitung: Alle Medien bringen selbstrecherchierte Beiträge, doch nach einem "tollen" Film stellten die interessierten jungen Leser fest, dass der nachhaltige Zeitungsartikel nützlicher ist. Ähnliches gelte für den Vergleich zwischen Internet und Buch. Täglich registriert der Verlag 150 bis 200 Zugriffe auf die Internetseiten (www.shz.de), an Montagen nach dem Erscheinen eines Serienbeitrags auch das Drei- bis Vierfache. In drei Buchbänden werden sämtliche Zeitungsbeiträge gesammelt. Vom ersten Band wird gerade die zweite Auflage gedruckt. 3000 Exemplare des 400 Seiten starken Buches waren in Rekordzeit vergriffen - bei einem Preis von 49,80 DM. Nichts wird verloren gehen, denn Wissenschaftler wollen alle Erkenntnisse sichern, und der NDR-Hörfunk hat die Aktion genutzt, sich für alle bewegenden Ereignisse der vergangenen Jahrzehnte ein Schallarchiv mit den Aussagen von Zeitzeugen anzulegen. Das Interesse an der Jahrhundert-Story ist ungebrochen, in diesen Sommerferien haben einige Familien ihre Urlaubsziele an den Wünschen der Kinder orientiert, die in Archiven wühlen oder mit Zeitzeugen sprechen wollen. Stephan Richter vergleicht die Phantasie und Akribie, die Schülerinnen und Schüler in die Recherche verwenden, mit der bei "Jugend forscht". Bei manchen Themen frage er sich, warum "wir Journalisten" nicht darauf gekommen sind. So habe eine Klasse einen französischen Zwangsarbeiter aus dem Zweiten Weltkriegs ausfindig gemacht und mit ihm gesprochen, eine andere Klasse habe die Wege früherer Generationen zu ihrer Schule nachgezeichnet. Die "Massenbewegung" soll Ende 1999 auslauten.
Letzte Änderung
05.12.2008
Titel
"Ja, so war Husum. So war Macht ohne Moral!"
In
Flensburger Tageblatt
Am
01.01.1970
Inhalt
Als Geschichtsprojekt einer Tageszeitung ohne Vorbild: Das komplette Jahrhundert in Schleswig-Holstein nahm das Flensburger Tagesblatt in Augenschein - in Kooperation mit Wissenschaftlern, Fernsehen und Hörfunk, Schulen und Privatleuten. Projektdauer: zwei volle Jahre. Werkstatt-Text aus der Drehscheibe: Mit seiner Jahrhundert-Story beschreitet das Flensburger Tageblatt im sh:z-Verlag ungewöhnliche Wege: - Thema: ein ganzes Jahrhundert - Projektdauer: über zwei Jahre - Projektpartner: Wissenschaftler, Fernsehen und Hörfunk (NDR, die Konkurrenz zur eigenen Privatfunk-Beteiligung), 154 Schulen, bisher etwa 400 Leser - Personalaufwand: Ständig ca. 1,5 Redakteursstellen - Resonanz: national - Freunde: U.a.. Israels Botschafter Avi Primor, Bildungsminister Jürgen Rüttgers, Ministerpräsidentin Heide Simonis Vision: Museum in Flensburg könnte die Ergebnisse des Projekts dokumentieren Das eigene Erleben kann die Story des Jahrhunderts prägen: Die Umsiedlung der eigenen Internat-Förderschule aus der ehemaligen DDR nach St. Peter-Ording oder die Schneekatastrophe 1979. Leser berichten darüber im Lokalen oder auf durchlaufenden "Echo-Seiten", Redakteure beschreiben Ausstellungen und Reaktionen darauf. Sämtliche Leserzusendungen werden dokumentiert, und sei es als kurzer Hinweis auf das jüngst eingetroffene Tagebuch. Das Team um Prof. Dr. Uwe Dankert, der alle drei Wochen eine "Story" schreibt, ist dafür verantwortlich. Ein Redakteur mit historischem Fachwissen ist ausschließlich für die Betreuung der Schulen abgestellt, ein zweiter unterstützt ihn dabei ebenso wie das Wissenschaftler-Team. Sämtliche Schulformen haben sich engagiert. Vom Verlag werden sie mit Klassensätzen der Zeitung am Erscheinungstag der Story versorgt . "Es ist uns gelungen, junge Leute zu begeistern", sagt Stephan Richter, Chefredakteur des Flensburger Tageblatts und Spiritus rector des Projekts. Als Stephan Richter die Projekt-Idee umzusetzen begann, hätten Marketing-Überlegungen noch gar keine Rolle gespielt, sagt er. Die "Jahrhundert-Story? hat sich dann in einem Maß verselbständigt, dass die Zeitung mit gestärktem Selbstbewußtsein aus der Unternehmung hervorgeht. Ganz offensiv werde den jungen Leuten nun gesagt: "Jetzt habt ihr die Möglichkeit zu vergleichen, und Ihr werdet sehen, die Zeitung steht nicht schlecht da." Vergleichen können die Leser zwischen den Filmen und Hörfunkbeiträgen des Norddeutschen Rundfunks und denen der Zeitung: Alle Medien bringen selbstrecherchierte Beiträge, doch nach einem "tollen" Film stellten die interessierten jungen Leser fest, dass der nachhaltige Zeitungsartikel nützlicher ist. Ähnliches gelte für den Vergleich zwischen Internet und Buch. Täglich registriert der Verlag 150 bis 200 Zugriffe auf die Internetseiten (www.shz.de), an Montagen nach dem Erscheinen eines Serienbeitrags auch das Drei- bis Vierfache. In drei Buchbänden werden sämtliche Zeitungsbeiträge gesammelt. Vom ersten Band wird gerade die zweite Auflage gedruckt. 3000 Exemplare des 400 Seiten starken Buches waren in Rekordzeit vergriffen - bei einem Preis von 49,80 DM. Nichts wird verloren gehen, denn Wissenschaftler wollen alle Erkenntnisse sichern, und der NDR-Hörfunk hat die Aktion genutzt, sich für alle bewegenden Ereignisse der vergangenen Jahrzehnte ein Schallarchiv mit den Aussagen von Zeitzeugen anzulegen. Das Interesse an der Jahrhundert-Story ist ungebrochen, in diesen Sommerferien haben einige Familien ihre Urlaubsziele an den Wünschen der Kinder orientiert, die in Archiven wühlen oder mit Zeitzeugen sprechen wollen. Stephan Richter vergleicht die Phantasie und Akribie, die Schülerinnen und Schüler in die Recherche verwenden, mit der bei "Jugend forscht". Bei manchen Themen frage er sich, warum "wir Journalisten" nicht darauf gekommen sind. So habe eine Klasse einen französischen Zwangsarbeiter aus dem Zweiten Weltkriegs ausfindig gemacht und mit ihm gesprochen, eine andere Klasse habe die Wege früherer Generationen zu ihrer Schule nachgezeichnet. Die "Massenbewegung" soll Ende 1999 auslauten.