Vereinsberichterstattung

„Eine B-Seite wäre sinnvoll“

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In einem Punkt sind sich die meisten Kollegen schnell einig: Die Vereinsberichterstattung alter Prägung ist irgendwie verstaubt, langweilig und blöd und überhaupt haben wir alle miteinander eigentlich keine Lust mehr im Januar und Februar 600 Jahreshauptversammlungsprotokolle zu redigieren. Spätestens, wenn man dann die polternden und mit Abo-Kündigungen drohenden Vereinsvorsitzenden am Telefon hat, knicken aber viele ein. Von Nadine Conti

Unsere Leser sind das so gewohnt und wollen das so, heißt es dann. Arroganz können wir uns nicht leisten. Das Problem dabei: Die Leser, die das nicht wollen, rufen nie an. Die verzichten einfach auf die Lokalzeitung.

These 1: Kreuz und quer durch Lokale wuchernde Vereinsberichterstattung schadet uns, weil sie eine bis zwei wichtige Zielgruppen verschreckt.

Ich habe in den letzten Jahren oft mit Leuten gesprochen, die Vereinsberichterstattung ernsthaft stört. Sie lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: 1. Die Zugezogenen und 2. Die Rushhour-Geplagten.

Zugezogene erkennen niemanden auf den bei Vereinen so beliebten Gruppenfotos. Was sie sehen ist: Noch so ein langweiliges Bild mit lauter alten Menschen, noch so ein langweiliger Text, der mich nicht interessiert. Und die Rushhour-des-Lebens-Geplagten? Sie sind beruflich stark eingebunden und privat beschäftigt mit Häuslebau und Kinderaufzucht. Da bleibt wenig Zeit und Energie übrig für das Engagement in Vereinen. Und noch weniger Zeit und Geld für eine Lokalzeitung, die sich beständig mit eben diesen Vereinen beschäftigt und darüber andere Interessen vernachlässigt.
Wenn man nun die Vereinsberichterstattung – als beliebten Füllstoff – großzügig über den gesamten Lokalteil verteilt, hat das folgende Effekt: Auf jeder dieser Seiten denkt ein solcher Leser einmal kurz „interessiert mich nicht“. Und wenn man dann Pech hat, überlagert dieser kleine, kurze, aber gehäuft auftretende Impuls irgendwann alles andere. Wenn ich diese Leute im Gespräch auf unsere „großen“, gut geschriebenen, sorgfältig recherchierten Geschichten hinweise, höre ich oft: „Ja gut, die vielleicht. Aber sonst berichtet ihr ja immer bloß über Schützenvereine und Karnickelzüchter.“

Ich halte das deshalb für einen großen Fehler, weil diese Zielgruppe eigentlich für uns erreichbar wäre: Wer in einem neuen Ort sesshaft wird, sich zu etablieren versucht, ein Haus baut oder Kinder bekommt, der interessiert sich nämlich plötzlich sehr viel mehr für das, was vor der eigenen Haustür passiert, als er es in anderen Lebensphasen vielleicht getan hat. Wie groß und wie relevant diese Zielgruppen sind, müsste allerdings jede Zeitung für ihr Verbreitungsgebiet analysieren.

These 2: Das Redigieren von Jahreshauptversammlungstexten bindet wertvolle Ressourcen und macht dabei nicht einmal die Vereinsanhänger glücklich.

„Wir machen halt das eine, ohne das andere zu lassen“, schrieb Lars Reckermann in dieser Debatte. Tja, da gratuliere ich mal. Ich weiß aber, dass genau das in vielen Redaktionen schlicht nicht drin ist. Da sieht es nämlich so aus, dass mit immer weniger Leuten immer mehr Stoff produziert werden muss (auch für die vielen Nebenprodukte/Beilagen). Und die Zeit, die ein hochbezahlter Redakteur damit verbringt, Vereinsberichte zu redigieren, fehlt dann eben an anderer Stelle. Dabei ist die Liebesmüh meist auch noch vergeblich: Am Ende hat man nämlich immer genau den einen Satz wegredigiert, der dem Vorstand doch ganz besonders wichtig war.

These 3: Auslagern muss nicht sein. Bündeln und klar benennen aber schon.

Den Versuch, die ganze Chose einfach ins Netz auszulagern, darf man getrost als Schuss in den Ofen bezeichnen. Vereinsanhänger sind Traditionalisten und nicht unbedingt internetaffin. Wirklich wertvoll ist in ihren Augen ohnehin nur das, was auf Papier gedruckt wird.

Also eine Beilage? Die hat schon ein paar Haken: Sie erlaubt weniger Kontinuität, der Leser wird von der Masse erschlagen, und sie löst den Ortsbezug auf. In Wirklichkeit interessieren sich nämlich selbst hartgesottene Vereinsmeier kaum für die Berichterstattung über die Vereine am anderen Ende des Landkreises/Verbreitungsgebietes. Sie lesen nur die Berichte über die Vereine in ihrem Ort, und allenfalls im Nachbardorf.

Meiner Meinung nach wäre eine Art „B-Seite“ im jeweiligen Lokalteil sinnvoller. Wenn sie im Seitenkopf klar benannt wird (Vereinsleben, Aus den Vereinen, o.ä.), kann der Vereinsmuffel sie gelassen überblättern – so wie andere das vielleicht mit dem Sport-, Wirtschafts- oder Kulturteil tun.

Gleichzeitig geht der Stoff fürs Lokale nicht verloren: Er kann zwar nicht mehr auf jeder Seite als Füllstoff für dieses oder jenes Löchlein verwendet werden, fällt aber auch nicht total raus wie bei einer Beilage. Dieser Stoffausfall muss ja auch erst einmal kompensiert werden, es sei denn, man reduziert zeitgleich den Seitenumfang des Lokalteils. Gleichzeitig sind die Inhalte eben auch nicht ganz so „aus den Augen, aus dem Sinn“: Die Wahrscheinlichkeit, dass man hier über einen interessanten Aspekt stolpert und eine ganz eigene Geschichte daraus drehen kann, ist höher. Um den Redigieraufwand in Grenzen zu halten, kann man Pressewarte schulen oder Formulare mit klaren Längenvorgaben herausgeben. Und die Vereine wären höchstwahrscheinlich mit dieser Lösung auch glücklicher: Die Berichte wären genauso, wie sie sie haben wollten und viel leichter auffindbar.

Nadine Conti ist freie Journalistin. Sie ist seit dem Jahr 2006 als Lokalredakteurin in Hildesheim, Hannover und Minden unterwegs. Zur Zeit arbeitet sie vor allem für das Mindener Tageblatt.

Kontakt:
Tel. 0571 – 889 10 48

Joachim Braun erläutert seine Thesen zur Vereinsberichterstattung

Hier geht’s zur Antwort von Lars Reckermann

Hier geht's zum Text von Malte Hinz

Johann Stoll will mit den Vereinen ins Gespräch kommen

Hier geht's zum Text von Peter Burger

Zum Text von Martin Schwarzkopf

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