Fiene checkt

Pinterest startet durch

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Pinterest gewinnt an Bedeutung. (Foto: AdobeStock/New Africa)
Pinterest gewinnt an Bedeutung. (Foto: AdobeStock/New Africa)

Schauen wir auf das in Deutschland derzeit unterschätzteste soziale Netzwerk. Wöchentlich nutzen es so viele Menschen wie LinkedIn und Twitter zusammen: Pinterest. Wer es strategisch richtig macht, lockt mit wenig Aufwand sehr viele neue Besucher auf die eigene Webseite. Aber lohnt sich das auch für Lokalredaktionen?

In meinem letzten Check haben wir uns mit der Social-Media-Nutzung der Deutschen beschäftigt. In dieser Kolumne checken wir noch einmal genauer, was hinter einem wirklich überraschenden Erkenntnis der neuen ARD/ZDF-Onlinestudie steckt: Nach Facebook, Instagram, Snapchat und Tiktok ist Pinterest auf den vordersten Plätzen der sozialen Netzwerke gelandet, wenn wir uns die regelmäßige Nutzung der Deutschen anschauen.

Pinterest hat den „stärksten Zuwachs verzeichnet“, meldete gar der Branchendienst Meedia. So ganz stimmt das nicht. Der Vorjahresvergleich ist nicht möglich, da die Studie die Plattform in diesem Jahr das erste Mal berücksichtigt. Wie das Ergebnis aber zeigt: Es wurde Zeit. Die Deutschen nutzen Pinterest intensiv — in der Medienbranche wird es hingegen bisher kaum beachtet. Im letzten Quartal haben 444 Millionen Menschen die Plattform genutzt. In Deutschland hat Pinterest im Oktober sogar mehr Seitenaufrufe im Web erzielt als Youtube, Instagram oder Twitter. Nur Facebook hat deutlich mehr, wie Statista ausgewertet hat.

Seit dem Jahr 2010 heften Pinterest-User Bilder, animierte Gifs oder kurze Videos auf eigenen thematischen Boards an — Dinge die sie schön finden, die sie sich merken möchten, die einen Nutzwert haben. Die Boards sind abonnierbar, einzelne Pins können geteilt oder auf eigene Boards geheftet werden. Mittlerweile ist Pinterest aber mehr als ein soziales Sammel-Netzwerk für visuell ansprechende Dinge oder Hobby-Themen. Einige bezeichnen die Seite als visuelle Suchmaschine, Online-Shops nutzen die Plattform erfolgreich als Katalog oder Verkaufskanal. Natürlich gibt es auch auf dieser Plattform Influencer, eine oft kopierte Story-Funktion und Diskussionen um die Verbreitung von Falschinformationen oder über den Umgang mit Bodyshaming.

Auch wenn kaum darüber geredet wird: Einige Medien sind erfolgreich auf Pinterest unterwegs. Teilweise entstehen Inhalte, die zurück in das Hauptmedium fließen. Im Frühjahr hat das Lifestyle-Magazin Glamour eine Kooperation mit Pinterest angekündigt — Persönlichkeiten wie Diana zur Löwen oder Polly Roche (Tochter von Charlotte Roche) verraten in Kolumnen, was sie inspiriert. Begleitet vom passenden Board. Aber auch Tageszeitungen sind auf Pinterest aktiv.

Bekanntestes Beispiel ist die New York Times. Die Pins erreichen monatlich über zehn Millionen Seitenabrufe. Auch deutsche Lokalzeitungen sind aktiv. Beispielsweise die Allgemeine Zeitung (Mainz) oder der Kölner Stadt-Anzeiger. Der Blick auf die Profile zeigt: Pinterest funktioniert anders als andere Netzwerke. Statt Lokalnachrichten versprechen die Kolleginnen und Kollegen aus Köln „tolle Rezepten, Tipps für ein nachhaltiges, gesundes Leben und die schönsten Ausflügen in und um Köln”. Auch wenn im zweiten Jahr nur 888 Follower angezeigt werden, gibt es dennoch über 300.000 Views pro Monat für die Pins. Das ist ein tolles Potenzial für zusätzlichen Traffic auf der Homepage. Der kann auch für die Zuführung von interessierten Lesern auf Plus-Artikel genutzt werden. Denn jeder Pin bietet (im Gegensatz zu Instagram) die Möglichkeit, prominent Links zu setzen.

(Foto: AdobeStock/oatawa)
(Foto: AdobeStock/oatawa)

Was die Betreuung von Pinterest von anderen sozialen Netzwerken unterscheidet:

● Der Inhalt: Der Blick auf das Profil des Kölner Stadt-Anzeigers zeigt es: Küchenträume statt lokale Corona-Inzidenzen, Wandertouren statt Aufreger in der örtlichen Verkehrspolitik. Bei Pinterest geht es nicht um Nachrichtenlagen, hier entstehen Dossiers zu Inhalten, die sich User abspeichern möchten: Tipps & Tricks rund um Freizeitaktivitäten oder Orten zum Essen, Ansehen oder Reisen. Das ist eine super Chance für entsprechende Artikel, die oft nach wenigen Tagen von den Übersichtsseiten der Webseite verschwinden, dann meist nur noch über Google gefunden werden. Über Pinterest können Sie einen weiteren Zugang schaffen.


● Die Zielgruppe: Die Pinterest-User sind zum Großteil weiblich und zwischen 20 und 40 Jahren alt — und damit deutlich offener für lokale Inhalte als typische Tiktok-User. Was charmant ist: Über die Suchfunktion und die Art, wie Pins geteilt werden können, erreichen Sie User, die sich für das entsprechende Thema bereits interessieren. Es gibt kaum eine Plattform, über die Medien einfacher neue User für die eigenen Themen erreichen können. Gerade wenn Sie Begriffe verwenden, die häufig gesucht werden, machen Sie Ihre Inhalte sichtbarer. 


● Die Ziele: Pinterest ist ein Hidden-Champion, was Traffic für Ihre Internetseite angeht. Viele Unternehmen berichten, wie Pinterest mittlerweile ein wichtiger Zugang zu ihren Shops oder Produkten ist. Das ist auch für Medien interessant: Wenn Reichweite zu Ihren strategischen digitalen Zielen gehört und Sie passende Inhalte haben, kann Pinterest genau die richtige Antwort sein. Aber: Während bei Facebook jedes Linkposting ein gewisses Grundrauschen an Traffic verursacht, gibt es die Garantie bei Pinterest nicht. Am Ende liegt es daran, ob die User den Pin für teilenswert halten oder für sich speichern wollen. So schaffen diese User mehr Sichtbarkeit für Ihre Pins. Auch spielt es eine Rolle, wie oft nach den Inhalten gesucht wird. Manchmal gibt es einen Traffic-Peak somit erst Tage oder Wochen nach der Veröffentlichung. Einige Medien positionieren auch Ihre Paid-Artikel (siehe Allgemeine Zeitung). Dann muss man sich aber genauer Gedanken über die Themenauswahl machen. Wer interessante Lokaltipps für seinen nächsten Wochenendausflug in eine Stadt speichert, wird sich eher nicht direkt für ein Abo des dortigen Lokalmediums entscheiden.


● Der Aufwand: Während bei Facebook und Instagram nicht nur regelmässig sehr viele Postings verlangen, sondern auch Ihr Community-Management wichtig ist, spielt das alles bei Pinterest keine Rolle: Es steht und fällt alles mit dem Nutzwert der einzelnen Pins. Theoretisch können Sie einmal in der Woche die Pins für die ganze Woche planen und brauchen zwischendurch nicht vorbeischauen. Es gilt: Lieber weniger Pins, aber dafür mit sehr guten Inhalten. Am Anfang ist Geduld gefragt: Je größer mit der Zeit Ihre Sammlung wird, je mehr andere Pinterest-User die Pins teilen, desto mehr neue Besucher gibt es auf Ihre Webseite.
 Wenn Sie sagen: Das klingt aber gut — sollte Pinterest also zum Social-Media-Standard einer Lokalredaktion gehören?

Fazit: Nein, Pflicht ist Pinterest am Ende dann doch nicht — auch wenn der Mechanismus viele Vorteile hat, ist die Hürde noch eine Plattform ordentlich zu bespielen, dann doch zu hoch. Noch einen weiteren Kanal mitzudenken, wenn die bisherigen Social-Aufgaben schon mehr als fordern, ist nicht sinnvoll. Aber: Wenn Sie viele Inhalte haben, die sehr gut zu Pinterest passen und die Reichweite Ihrer Webseite ausbauen müssen, und Sie sich wirklich sicher sind, langfristig Pinterest bespielen zu wollen, können Sie auch schon mit einem geringen Zeiteinsatz pro Woche dabei sein. Die Zeit wird gut investiert sein.

Mein Tipp: Haben Sie einen Newsletter, einen Podcast, ein Youtube- oder Instagram-Format, mit dem Sie gar nicht zufrieden sind, weil Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis stehen? Wenn die Voraussetzungen aus dem vorigen Absatz auf Sie zutreffen, machen Sie doch ein Experiment: Beenden Sie dieses Format und nutzen Sie einen Teil der frei gewordenen Zeit für Pinterest. In einem halben oder ganzen Jahr werden Sie sehen: Das war ein guter Tausch.

Zum Hintergrund

● Wie die Deutschen die Social-Media-Netzwerke nutzen (ARD/ZDF-Onlinestudie)

● Die Allgemeine Zeitung bei Pinterest

● Der Kölner Stadt-Anzeiger bei Pinterest 

The New York Times bei Pinterest
● Caroline Preuss: 3 Strategien, um Pinterest zeitsparend zu nutzen!

Pinterest-Tipps für Unternehmen von Hootuite





Daniel Fiene

ist Medienjournalist und Begründer des Podcasts „Was mit Medien“.

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