Fiene checkt

So liken wir 2022

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Social Media – auch in 2022 geht kein Weg dran vorbei (Foto: AdobeStock/Aleksei)
Social Media – auch in 2022 geht kein Weg dran vorbei (Foto: AdobeStock/Aleksei)

Zum Jahresende können wir von Dieter Bohlen lernen. Im TV läuft es derzeit nicht so gut für den Mann, der es bestimmt gerne hört, wenn er als Pop-Titan bezeichnet wird. Immerhin ist er schon seit den 70ern im Geschäft. Dabei zeigt er immer wieder: Er erfindet sich neu. Seit drei Jahren ist er im Social-Media-Geschäft dabei — für die Lokalmedien da schon ein alter Hut. 1,6 Millionen Follower hat er auf Instagram. 1,7 Millionen Follower sind es bei TikTok. Im OMR-Podcast hat er über die Aufbauphase seiner Social-Media-Kanäle gesprochen. Wieviel Zeit er mit seinen Kanälen verbringt? “Bin da neun Stunden am Tag”, sagte Bohlen.

Neun Stunden, selbst wenn es nur ein oder zwei Postings am Tag gibt? Es gebe Tage, an denen er 3.500 Kommentare seiner Fans beantwortet, legte Bohlen nach. Und tatsächlich: Wer kommentiert, bekommt auch eine Antwort. Das bindet. Aber Dieter ist das noch nicht genug. Hin und wieder geht er einen Schritt weiter, startet einen Livestream und schaltet seine Fans mit ihrer Handykamera dazu. Da gibt es dann viel Gekreische. Einmal mit Dieter in einem Call sein, die Follower schauen zu.

Jetzt sagen Sie vielleicht: Sind das wirklich neun Stunden am Tag? Beantwortet er wirklich seine Kommentare selbst? Hilft ihm da nicht vielleicht Carina, oder gar eine Agentur? Die Antworten darauf sind eigentlich egal. Denn eins hat er als Chef verstanden: Social-Media ist mehr als das Posten von Inhalten. Genauso wichtig ist das Community-Management. Ohne Community gibt es kein Wachstum. Also muss dafür auch genügend Zeit eingeplant werden. Community-Building darf nicht nebenher laufen.

Die größte Challenge für Lokalredaktionen

Und genau das dürfte sie sein: die größte Challenge für Lokalredaktionen. Das Arbeitsprofil eines Social-Media-Kollegens stammt noch aus einer Zeit, zu der es genügte, gute Postings auf Facebook und vielleicht auch auf Twitter zu veröffentlichen. Aber selbst Instagram besteht heute aus mehr als das Posten von Fotos oder Infographiken: Es kommt auf das Community-Building an. Leider ist dafür in den Arbeitsprozessen kaum Zeit vorgesehen. Aber: Wo es nebenher läuft, verpasst man die Chance die bisherigen Follower zu erreichen, geschweige denn, neue auf den eigenen Kanal aufmerksam zu machen.

Mein Tipp: Wenn Sie an Ihre Social-Media-Strategie 2022 gehen, dann geben Sie dem Community-Management einen gleichberechtigten Stellenwert. Die schönste Tageszeitung nützt nichts, wenn die Zustellung nicht klappt. Was der Bote in der analogen Welt ist, ist das Community-Management in der digitalen Welt. Denn: Die Algorithmen messen, wie aktiv eine Community ist, und das beeinflusst, wie viel Sichtbarkeit Ihre Inhalte bekommen.

(Foto: AdobeStock/natali_mis)
(Foto: AdobeStock/natali_mis)

Damit greifen Sie schon den ersten Trend auf: Der Alltag des Social-Media-Teams wird in drei bis fünf Jahren ganz anders aussehen, als wir es bislang gewohnt waren. Hier wird es einen radikalen Wandel geben. Selbst wenn in fünf Jahren das Metaversum eine ganz andere Rolle spielen wird, als sich das Silicon-Valley-Köpfe heute vorstellen, gibt es ein paar andere Entwicklungen und Social-Media-Trends, die genau darauf einzahlen:

● Facebook will in den nächsten Jahren den Markt der 18- bis 25-Jährigen zurückgewinnen. Dabei dürften Hochkant-Videos à la TikTok eine große Rolle spielen. Das Posting im Newsfeed wird dann an Bedeutung verlieren. Kommunikation verlagert sich also vom Text zum Video. Social-Teams würden dann deutlich mehr Social-Videos produzieren müssen. Aber, bis es soweit ist: Viele Lokalredaktionen haben beachtliche Follower-Zahlen auf Facebook. Da viele Medien ihre Seiten nur noch lieblos bespielen, ist das eine Chance. Mit etwas liebevoller Community-Arbeit, können Sie heute noch an die alten Erfolge anknüpfen. (Siehe auch einen älteren Beitrag in dieser Kolumne)

● TikTok ist in aller Munde und prägt tatsächlich die Jugendkultur. Doch nach wie vor gilt: Einen eigenen Kanal zu bewirtschaften ist zeitaufwendig und zahlt durch die Architektur der Plattform kaum auf gängige strategische Ziele eines Lokalmediums ein. Sie brauchen also gute Gründe hier aktiv zu sein (Wie im TikTok-Beitrag beschrieben). Aber: Um auch bei jüngeren Menschen am Ball zu bleiben, lohnt es sich, Inhalte zu konsumieren und die inhaltlichen Trends zu verstehen. Außerdem entsteht hier gerade eine Form der Kommunikation, die künftig die Social-Media-Arbeit deutlich stärker prägen wird. Womit wir schon beim nächsten Trend sind.

● Videos neu denken. Auch wenn viele Lokalredaktionen ihre Teams mit Smartphones ausgestattet haben und einen Mobile-Reporting-Workshop spendierten, hat das noch nicht zu Video-Erfolgs-Geschichten geführt. Und das, obwohl das Thema Video im digitalen Medienkonsum boomt. Vielleicht liegt es daran, dass bisherige Video-Konzepte von News-Webseiten bisher versucht haben, Fernsehen zu kopieren, statt in Netz-Formaten zu denken. Welche Rolle Vidoes spielen können, zeigt nicht nur TikTok, sondern auch Instagram. Videos werden dort immer wichtiger. Nicht zum Selbstzweck, sondern weil die Menschen das Netzwerk nicht mehr als Foto-Plattform, sondern als Unterhaltungs-Plattform sehen. Die Kunst liegt darin, Unterhaltung und Information zu verknüpfen. https://www.drehscheibe.org/fiene-checkt-detail/video-instagram.html

● Auch Audio boomt weiter. 2021 war nur der Anfang. Mit Audio-Artikeln können Sie Ihre Paid-Angebote aufwerten. Viele schöne Podcast-Formate aus Lokalredaktionen bereichern die Landschaft. Bauen Sie Ihr Engagement weiter aus. Aber eine kleine Erinnerung aus dem Fall Dieter Bohlen: Auch wenn im Podcast-Bereich Mini-Serien mit schönem Storytelling schrecklich angesagt sind, steht Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis. Setzen Sie lieber auf langfristige Formate, die ein Community-Building ermöglichen. Davon profitiert Ihre Lokalmarke stärker.

● Neue Zielgruppen erreichen. Egal ob es lokale Inhalte auf Linkedin oder Nutzwertiges aus dem eigenen Ort auf Pinterest. Ihr Lokalangebot kann auch mit kleineren Netzwerken erfolgreich auf neuen Plattformen unterwegs sein, ohne solch einen großen Aufwand wie bei TikTok betreiben zu müssen. Das erreichen von neuen Zielgruppen gehört auch zu einem der wichtigeren Themen in den kommenden Monaten.

(Foto: AdobeStock/oatawa)
(Foto: AdobeStock/oatawa)

Mein Fazit

Ich freue mich auf 2022. Der Social-Media-Markt bleibt dynamisch. Besonders freue ich mich auf die Überraschungsthemen. Vor einem Jahr hat niemand ernsthaft damit gerechnet, dass 2021 solch einen Audioboom erlebt. Zwar hatten wir schon die zweite Podcast-Welle, aber dass durch Clubouse mit Social-Audio eine ganz neue Gattung etabliert werden würde, die sogar Facebook unter Zugzwang setzte, das ahnte niemand. Mal sehen, worüber wir in einem Jahr sprechen. Sicher ist: Es passiert auf vielen Ebenen etwas. Nicht jede Entwicklung setzt aber Lokalredaktionen unter Zugzwang. Um den Überblick zu behalten, bleibe ich für Sie dran.

Mehr zum Thema:
Dieter Bohlen im OMR-Podcast

 

Daniel Fiene

ist Medienjournalist und Begründer des Podcasts „Was mit Medien“.

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