Fiene checkt

Wie die Deutschen das Netz nutzen

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Unser Online-Verhalten ändert sich ständig (Foto: AdobeStock/Clement Coetzee/peopleimages.com)
Unser Online-Verhalten ändert sich ständig (Foto: AdobeStock/Clement Coetzee/peopleimages.com)

Jeden Herbst liefert die ARD-ZDF-Onlinestudie neue Zahlen dazu, wie die deutschsprachige Bevölkerung ihre Zeit im Netz verbringt. Mit dem Ende der Corona-Einschränkungen gibt es ein paar Überraschungen: Einige Klassiker der sozialen Netzwerke sind unerwartet populär. Fiene checkt die Zahlen und entwickelt fünf neue Ideen für die Digitalstrategien von Lokalredaktionen.

Auf den ersten Blick sind die groben Entwicklungen, wie die deutschsprachige Bevölkerung ihre Zeit mit dem Ende der Corona-Einschränkungen online verbringt, wenig überraschend: Weniger Zeit für die Individualkommunikation – noch mehr Zeit für Video und Audio. Aber nach einem deutlichen Rückgang in den letzten beiden Jahren werden auch Texte wieder mehr genutzt. TikTok wächst, Facebook bestätigt sich als das Netzwerk der älteren Generation.

Doch wenn wir genauer in die Ergebnisse eintauchen, gibt es einige richtige Überraschungen. Auch nach Corona steigt die Podcast-Nutzung – mittlerweile auf eine wöchentliche Nutzung von beeindruckenden 30 Prozent. Im Vorpandemie-Jahr 2019 lag der Wert noch bei 14 Prozent. Noch überraschender ist die intensivere Nutzung regelrechter Klassiker wie Blogs, Newsletter und Twitter. Die Deutschen sind diverser im Netz unterwegs. Das können Lokalredaktionen geschickt für sich nutzen und so Schwächen ausbügeln, wie etwa beim Thema Video-Konzepte.

Es ziehen aber auch dunkle Wolken am Horizont auf, wie die Studienautoren anmerken. Die Plattformen gehen dazu über, „den Menschen attraktive Inhalte aus der ganzen Welt in die Timeline zu spielen und die Bedeutung des sogenannten Social Graph, sprich die Netzwerke zwischen den Usern, zurückzufahren. Etwas überspitzt formuliert bekommt man auf seiner Timeline so eher zu sehen, was eine Schildkröte in Korea macht als was der Nachbar zu einem lokalpolitischen Thema denkt.” Social-Media-Erfolge mit lokalen Inhalten werden in den kommenden Jahren somit schwieriger realisierbar. Postings, die künftig viral gehen, passen weder in das journalistische Konzept noch zu den bisher etablierten digitalen Geschäftsmodellen von lokaljournalistischen Angeboten.

Zwei Netzwerke sollte man wegen der Nutzungszahlen in den kommenden Monaten genauer verfolgen, ohne dass das Social-Konzept umgestellt werden muss. TikTok wächst zwar von neun auf 14 Prozent, allerdings ist die Nutzerschaft so jung, dass lokaljournalistische Marken kaum bekannt sind und das Interesse an lokalen Inhalten noch nicht vorhanden ist. Auch wenn TikTok in der Branche omnipräsent diskutiert wird, ist das Umfeld für Lokalredaktionen unattraktiv. Es überrascht aber auch Twitter — nicht nur wegen der dynamischen Entwicklung seit dem Kauf durch den Unternehmer Elon Musk. In den letzten zwölf Monaten hat sich unerwartet die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer von fünf auf zehn Prozent verdoppelt. Gerade die „Generation Z“ nutzt das Netzwerk verstärkt, um sich zu informieren. Twitter könnte in den kommenden Jahren zu einem interessanten Ort werden, wenn das Netzwerk die kommenden Monate unter Elon Musk unbeschadet übersteht.

(Foto: AdobeStock/vectorlia )
(Foto: AdobeStock/vectorlia )

Hier sind fünf konkrete Ideen für lokale Digitalaktivitäten, die sich aus den Nutzungsveränderungen im Jahr 2022 ergeben.

● Facebook stirbt auch in diesem Jahr nicht. Facebook wird sogar von deutlich mehr Menschen genutzt. Wöchentlich erreichen Sie 35 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung - im Vorjahr waren es 28 Prozent. Selbst bei den Unter-30-Jährigen werden immer noch 42 Prozent erreicht. Eine aufgefrischte Facebook-Strategie ist für Lokalredaktionen erfolgsversprechender als ein neuer TikTok-Kanal.

● Spielen Sie auf Instagram und Facebook nicht die identischen Inhalte aus. Schärfen Sie das inhaltliche Profil Ihrer Facebook- und Instagram-Kanäle. Facebook wird hauptsächlich genutzt, um sich zu informieren (Nachrichten). Instagram wird zur Unterhaltung genutzt. Entsprechend sind Themen rund um die Freizeit erfolgsversprechender.

● Auch Blogs erleben ein Revival — die wöchentliche Nutzung steigt von fünf auf zehn Prozent. Newsblogs werden als Darstellungsform auf Nachrichtenportalen gerne von Redaktionen genutzt. Die wachsende Popularität auf User-Seite können Sie geschickt nutzen, indem Sie Themen, die sich über einen langen Zeitraum entwickeln, mit einem eigenen Blog begleiten. Zur lokalen Verkehrswende, zu einem Großbauprojekt, zu lokalen Klimainitiativen.

● Das Angebot an neuen Podcast- und Newsletter-Formaten ist noch längst nicht gesättigt. In den letzten zwöl Monaten ist die Zahl der Leser von Newslettern von 21 auf 32 Prozent gestiegen. Bei Newslettern sind die unterschiedlichsten Schwerpunkte gefragt — bei Podcasts sollten informierende Formate neben dem True-Crime-Hype nicht vergessen werden. Denn sich zu informieren, ist eine der Hauptmotivationen, sich für einen Podcast zu entscheiden.

● Nachrichtenportale leben von der ständigen Aktualisierung und vom nicht enden wollenden Strom an Artikeln. Allerdings schreckt dass die Nutzer verstärkt ab. Die Neigung, Nachrichten zumindest gelegentlich zu vermeiden, steigt stark an auf aktuell etwa zwei Drittel der Bevölkerung. Diese Zielgruppe können Sie mit neuen Formaten erreichen, die Digital-Detox-freundlich sind. Zeitlich abgeschlossen, vom Umfang bewusst limitiert und mit einem konstruktiven Ansatz umgesetzt.

Daniel Fiene

ist Medienjournalist und Begründer des Podcasts „Was mit Medien“.

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