Interview

„Der Leser-Kontakt über Apps und soziale Netzwerke ist unerlässlich“

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Mit ihrer App „Call-a-Journalist“ versuchen die Betreiber des Hamburger Netzmagazins Mittendrin einen neuen Weg im Lokaljournalismus zu gehen. Leser können mit ihrer Hilfe Journalisten zu aktuellen Ereignissen rufen. Wir sprachen mit Dominik Brück, dem stellvertretenden Chefredakteur von Mittendrin.

Wie funktioniert die „Call-a-Journalist“-App?

Es handelt sich um eine Browser basierte App für Smartphone oder Laptop. Der Nutzer hat einen roten Knopf, auf den er drücken kann. Dann bekomme ich als Journalist die Anzeige, wo sich der Knopfdrücker gerade befindet, und kann ein Team auf den Weg schicken. Es war jetzt natürlich eindeutig auf die Geschichte um das „Gefahrengebiet“ hier in Hamburg begrenzt – Polizeikontrollen oder spontane Demonstrationen zum Beispiel. Wir wollen in Zukunft diese App auch im normalen Redaktionsalltag nutzen und sprechen mit den Programmierern darüber. Wenn man es auf den ganzen Bezirk ausdehnen will, braucht man weitere Funktionen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Wir haben im „Gefahrengebiet“ angefangen, jeden Abend live zu berichten. Über Telefon oder Twitter haben Leser uns mitgeteilt, wo gerade was passiert. Das ist natürlich sehr umständlich, weil man sich immer absprechen muss, wo der Absender sich gerade befindet. Markus Gottschau, Marco Maas und Lukas Bischoff – das sind die drei Leute, die diese App programmiert haben – sind dann auf uns zugekommen und haben gefragt, ob wir die App testen wollen.

Und dann haben Sie die App gleich verwendet?

Ja, und es funktionierte auch ganz gut. Wir haben die App nur an drei Tagen genutzt, weil das „Gefahrengebiet“ dann aufgelöst wurde. Dabei hatten wir keinen einzigen Fehlalarm, das heißt, jedes Mal, als dieser Button gedrückt wurde, passierte etwas.

Wie wurde die App genutzt?

Das beste Beispiel war wahrscheinlich am Freitag vor Auflösung des „Gefahrengebiets“. An diesem Tag gab es mehrere spontane Demonstrationen. Wir waren mit einer in Richtung Rote Flora unterwegs und bekamen über die App einen Alarm von der Reeperbahn. Als ich dort ankam, löste die Polizei die dortige Sitzblockade gerade auf. Das hätten wir natürlich so, wenn wir bei der Demonstration geblieben wären, überhaupt nicht mitbekommen. Wir haben die Person tatsächlich ausfindig gemacht, die diesen Knopf gedrückt hatte. Sie war begeistert, dass es funktioniert hat.

Was machen Sie jetzt mit der App?

Wir haben sie erst mal abgeschaltet, weil das „Gefahrengebiet“ jetzt aufgehoben ist. Mit den Programmierern sprechen wir darüber, wie wir die App in den Redaktionsalltag einbinden können. Man braucht noch ein paar mehr Funktionen. Wir wollen aber den Lesern weiterhin die Möglichkeit geben, einfach und schnell Journalisten zu rufen.

Welche Erwartungen haben Sie in Zukunft an die App?

Zum Beispiel muss der Leser die Möglichkeit haben, kurz zu schreiben, was passiert ist – und mir als Journalist muss es möglich sein, darauf zu antworten. Das ist wichtig, bevor wir das Ganze im normalen Redaktionsalltag nutzen. Es ist ja bei E-Mails schon so: Wenn mir ein Leser schreibt, habe ich an mich den Anspruch, darauf zu reagieren. Zum Beispiel versuchen wir bei Leserfragen, die über eine Story hinaus gehen, trotzdem zu antworten. Das ist ein Serviceprinzip, das guten Lokaljournalismus auszeichnet.

Wie können andere Redaktionen die App nutzen?

Gerade im Lokaljournalismus sind wir auf unsere Leser angewiesen. Wir sollten auch auf unsere Leser hören. Es kennt sich ja keiner in seiner Nachbarschaft besser aus als die Leute, die da wohnen. Und da kann ich mir gut vorstellen, dass Leser die App nutzen, um die Redaktion auf bestimmte Ereignisse aufmerksam zu machen. Mir geht es dabei nicht um Bürgerjournalismus, die Bürger sollen nicht die Arbeit des Journalisten machen. Es geht darum, auf Ereignisse hinzuweisen. Gerade im Lokalen muss es Journalisten geben, die vor Ort sind und sich selbst ein Bild machen.

Hat die App auch Nachteile?

Der Nachteil ist natürlich, dass – wenn man es als Nachteil sehen will – die Redaktion halten muss, was sie verspricht. Wenn der Leser diesen Button fünfmal gedrückt hat und keine Rückmeldung bekommt, dann ist das frustrierend. Das heißt, die Redaktion muss immer jemanden haben, der die App pflegt und verwaltet.

Interview: Florian Snigula

Mittendrin ist ein Online-Nachrichtenmagazin für den Hamburger Bezirk Mitte. Es wurde im September 2012 gegründet. Rund 16 freie Redakteure kümmern sich um die Inhalte. Das Magazin finanziert sich über Anzeigen und Abonnements, aber auch durch eine Kooperation mit der taz Hamburg. Die Redaktion pflegt einen regen Austausch mit ihren Lesern, über 4000 Leute folgen Mittendrin mittlerweile auf Twitter.

Kontakt

Dominik Brück
Tel.: 0151 - 27555726
E-Mail.: brueck@hh-mittendrin.de

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