Wahl-O-Mat

„Information mit einem spielerischen Element“

von

Wahl-O-Mat 2013
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Der Politikwissenschaftler Stefan Marschall von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat das Projekt Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung maßgeblich mit vorangebracht. Die drehscheibe sprach mit ihm über über die Idee, die Hintergründe und den Erfolg des Wahl-O-Mat.

Welche Idee steckt hinter dem Wahl-O-Mat?

Der Wahl-O-Mat spricht wichtige Fragen an, die für die Bürger rund um Wahlen eine Rolle spielen: Welche Unterschiede gibt es zwischen den Parteien? Wo stehe ich in Bezug auf die Parteien? Welche Positionen, welche Themen spielen im Wahlkampf eine Rolle? Darauf aufmerksam zu machen, ist zentrale Aufgabe des Tools, also nicht nur Diskussionen und Informationssuche anzuregen, sondern auch Auskunft zu geben über Wahlen, über Themen der Wahlen und die Parteien, die bei Wahlen antreten.

In den Medien heißt es oft, die Parteien seien kaum mehr unterscheidbar. Die Wahl-O-Mat-Experten sind da anderer Meinung.

In der Tat. Unser Eindruck widerspricht der allgemeinen Beobachtung, dass sich die Parteien immer ähnlicher werden. So gibt es Punkte, bei denen sich auf den ersten Blick keine Differenzen zwischen den Parteien herausarbeiten lassen. Aber wenn man konkreter wird, wenn man nicht nur darauf schaut, welche Einstellungen Parteien zu bestimmten Fragen haben, sondern welche Politik sie ganz konkret machen wollen, dann werden die Unterschiede schnell evident.

Die Thesen, auf denen der Wahl-O-Mat basiert, entstehen in Workshops, zu denen knapp 20 Jugendliche eingeladen werden. Was ist dabei Ihre Aufgabe?

Wir, eine Gruppe von Expertinnen und Experten, organisieren mit den Jugendlichen zusammen die Thesenentwicklung in den Workshops. Wir stehen für Rückfragen zur Verfügung, achten darauf, dass bestimmte Kriterien eingehalten und Themen abgedeckt werden. Die Parteien erhalten die Thesen und beantworten diese vor dem Start des Tools. Wir schauen uns die Antworten an, dann gibt es vielleicht den einen oder anderen Punkt, bei dem nochmals nachgehakt wird.Wenn die Antworten der Parteien eintreffen, versuchen wir festzustellen, welche Thesenauswahl günstig ist, um die Unterschiede der Parteien aufzuzeigen.

Gedacht war der Wahl-O-Mat für Jugendliche. Es spielen aber auch ältere Menschen mit.

Es gibt immer noch die Tendenz, dass die User des Wahl-O-Mats jünger als der Durchschnitt der Bevölkerung sind. Aber dies hat sich im Laufe der Jahre abgeflacht. Zu Beginn waren über 50 Prozent der User unter 30 Jahre. Mittlerweile hat der Anteil der über 50-Jährigen deutlich zugenommen.

Könnte das vielleicht auch an der Medienpräsenz des Wahl-O-Mats liegen? Ein Viertel der Nutzer ist über das Fernsehen aufmerksam geworden.

Immer wenn das Tool in Zeitungen oder im Fernsehen präsentiert wird, gehen infolge viele Leute online, um es sich anzuschauen. Das zeigt, dass sich doch noch viele über die alten Medien informieren, und wie wichtig es ist, diese Medien in der politischen Bildung nicht zu vergessen.

Sie untersuchen auch Nutzung und Wirkung des Wahl-O-Mats. Gibt es den typischen Wahl-O-Mat-Nutzer?

Die User haben eine vergleichweise hohe Bildung und ein hohes politisches Interesse. Es gibt aber auch eine beachtliche Gruppe - bei der letzten Bundestagswahl waren es um die 17 Prozent -, die sagen, normalerweise interessierten sie sich nicht für Politik.

Warum spielen die Leute den Wahl-O-Mat?

Viele nutzen den Wahl-O-Mat, weil sie überprüfen wollen, wo sie in Bezug auf ihre Parteipräferenz liegen. Diese Nutzer haben eine Vorstellung, welcher Partei sie nahe stehen, wollen aber nochmal genauer schauen, ob es auch so ist, wie sie vermuten. Und rund 90 Prozent sagen, dass der Wahl-O-Mat Spaß gemacht hat. Das verrät, warum das Tool erfolgreich ist: Weil er es schafft, politische Information mit einem spielerischen Moment zu verbinden.

Welche Effekte stellen Sie fest?

Solch ein Tool kann eine starke mobilisierende Wirkungen haben. 50 Prozent der Befragten sagen, dass sie sich aufgrund der Nutzung des Wahl-O-Mats weiter informieren wollen. Zwei Drittel bis drei Viertel sagen, dass sie sich mit anderen über das Ergebnis unterhalten wollen. Es gibt einen kleinen Prozentsatz von fünf bis zehn Prozent der Nutzer, die sogar sagen, der Wahl-O-Mat habe sie motiviert, zur Wahl zu gehen, obwohl sie es nicht vorgehabt hatten. Das sind schon spannende Befunde.

Der Wahl-O-Mat auf der Seite der HAZ

Viele Journalisten fragen sich, wie man an Nichtwähler und Nicht-Interessierte herankommt. Gibt der Wahl-O-Mat hierauf eine Antwort?

Zum einen gelingt es dem Wahl-O-Mat über das spielerische Moment. Und dass er recht unkompliziert wirkt. Seine Funktionslogik ist einfach zu verstehen und überfordert niemanden – auch nicht mit Informationen. Was wir überdies feststellen: Wenn man über bestimmte TV-Programme geht und dort Kooperationspartner hat, kommt man an andere Zielgruppen heran. Politikferne gehen ja nicht unmittelbar auf die bpb-Seite. Die muss man dort abholen, wo sie sind. Es stellt sich also die Frage, welche Medien von politisch wenig interessierten Personen genutzt werden. Und da muss man ran.

Warum fragt der Wahl-O-Mat 38 Thesen ab? Ähnliche Tools in anderen Ländern kommen mit viel weniger aus.

Man braucht eine gewisse Anzahl von Thesen, um Parteien voneinander zu unterscheiden. Es hängt auch davon ab, wie viele Parteien in einem solchen Tool berücksichtigt sind. Jahrelang waren es 30 Thesen. Es waren nur die Parteien im Wahl-O-Mat zugelassen, die in den Parlamenten vertreten waren respektive eine gute Chance hatten, reinzukommen. 2009 gab es einen Gerichtsentscheid, nachdem alle zugelassenen Parteien in den Wahl-O-Mat aufgenommen werden müssen. Infolge hat man die Thesenzahl erhöht, um zu gewährleisten, dass eine Unterscheidbarkeit auch bei der Teilnahme vieler Parteien gewährleistet werden kann.

Läuft der Umgang mit den Parteien reibungsfrei?

Die Parteien kooperieren in der Regel recht gut. Viele machen jetzt auch von der Möglichkeit Gebrauch, weitere Begründungen für ihre Positionen einzustellen. Weil die Thesen selbst und ihre Antworten darauf nicht all das wiedergeben, was die Parteien an der Stelle vermerkt haben möchten.

Kommt es vor, dass eine Partei etwas anderes kundtut als im Wahlprogramm steht?

Es stellt sich eher das Problem, dass man zu bestimmten Fragen nichts Konkretes im Wahlprogramm liest. Es gibt Punkte, zu denen sich Parteien nicht ganz ausdrücklich äußern, die vielleicht auch nicht so auf ihrer Agenda stehen. Aber dann sind die Parteien gefordert, für den Wahl-O-Mat klar Stellung zu nehmen.

Der Wahl-O-Mat bietet außerdem einen sehr großen Informationshintergrund: Wahlprogramm, Parteienprofile, die Basics zur Wahl – wird das von den Usern angenommen?

Zahlreiche Zusatzangebote werden von der bpb koordiniert und bereitgestellt als klassische Ergänzungen der politischen Bildung. Und viele nutzen diese auch. Zu jeder These haben sie einen Informationsbutton, der sie auf eine Seite leitet, wo sie mehr zu dem jeweiligen Thema erfahren können. Das Angebot „Wer steht zur Wahl“ zum Beispiel ist eine spannende Sache, weil dort Profile aller zur Wahl antretenden Parteien zu finden sind. Mancher möchte doch ein bisschen mehr über die eine oder andere Partei erfahren, die ihm im Wahl-O-Mat begegnet ist.

Info:

Prof. Dr. Stefan Marschall ist Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politisches System Deutschlands an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er begleitet den Wahl-O-Mat seit 2003 wissenschaftlich und zählt zum Expertenteam der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, das die Vorbereitung betreut. Außerdem überprüft er durch Umfragen die Motivation der Nutzer und die Wirkung des Tools.

Tel: 0211-811 46 89
E-Mail: Stefan.Marschall@uni-duesseldorf.de

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