Interview

„Man will sich nicht mit den lokalen Eliten anlegen“

von

Prof. Lars Holtkamp
Prof. Lars Holtkamp

Lokalzeitungen sind für die Vermittlung von Kommunalpolitik noch immer das Hauptmedium, meint Lars Holtkamp, Professor für Politik und Verwaltung an der Fernuniversität Hagen. Leider seien sie dabei manchmal zu unkritisch.

Herr Holtkamp, vor welchen zentralen Problemen stehen die Kommunen im Jahr 2019?

Pauschal ist das schwer zu sagen. Die Kommunen haben ja unterschiedliche Probleme. Mit Blick auf die größeren Kommunen in Nordrhein-Westfalen sind die Kommunalfinanzen nach wie vor das Hauptproblem. Das liegt einfach daran, dass über Jahre hinweg Kassenkredite aufgehäuft wurden. Diese sind an sich nur zur Zwischenfinanzierung gedacht, werden aber in Nordrhein-Westfalen von den Kommunen zur Dauerfinanzierung genutzt. Das hat zur Konsequenz, dass die Haushaltsaufsicht streng einschreitet und die Handlungsspielräume enger werden bis hin zur Entsendung von Staatskommissaren.

Mit welchen Strategien wollen die Kommunen die Probleme lösen?

Die Lage ist mittlerweile schwierig. Sie versuchen zu sparen, aber im Kern geht es immer noch darum, Hebelsätze zu erhöhen, meistens die Grundsteuer, bedingt auch die Gewerbesteuer. Damit kann man kurzfristig ziemlich viel Geld einnehmen, und die Bürger können sich nicht dagegen wehren, weil man dagegen keine Bürgerbegehren oder Bürgerentscheide machen kann. Anders ist es, wenn Sie ein Freibad schließen wollen oder ähnliches. Da muss man mit Bürgerbegehren rechnen. Aber auf der Einnahmeseite ist das rechtlich nicht möglich.  

Haben diese Formen direkter Demokratie heute einen größeren Einfluss als früher?

Diese Möglichkeiten wurden ja vielerorts in den 90er-Jahren eingeführt. Insbesondere in den größeren Kommunen führt es inzwischen zu Problemen, insbesondere deshalb, weil dieses Instrument gar nicht so stark von den Bürgern, sondern von den Oppositionsparteien benutzt wird, die dann versuchen, die Beschlüsse der Mehrheitsfraktionen zu torpedieren. Das kann zu vielen Problemen führen, weil die Bürger gerne am Status Quo orientiert abstimmen. Überall, wo etwas Neues entstehen soll, sind sie meistens erst mal dagegen. Es wirkt das St. Florians-Prinzip, etwa wenn es um bestimmte Standorte geht, zum Beispiel bei der Windenergie, bei Asylbewerberheimen usw. Dagegen laufen die Bürger Sturm.

Welche Rolle spielen dabei soziale Netzwerke? Ist es auch in den Kommunen so, wie man es in der Bundespolitik beobachten kann, Stichwort Populismus, Fake News?

Für eine durchschnittliche Kommune spielt das eher eine geringe Rolle. In den Großstädten, wo man viele Menschen mobilisieren kann, etwa zu Demos, kann das schon eher bedeutend werden.

Wie gut sind die Kommunen beim Thema digitaler Wandel aufgestellt?

Das ist sicherlich ein Problem. Es fängt auf der Kostenseite an. Es ist schwierig, überhaupt das nötige Personal zu bekommen. Der öffentliche Dienst ist nicht so lukrativ, wenn man sich im Vergleich dazu ansieht, was man in der freien Wirtschaft verdienen kann. Außerdem versuchen die Kommunen in der Regel, den digitalen Wandel alleine hinzukriegen, etwa die städtischen Internetseiten. Das ist natürlich ein erheblicher Aufwand, und es sieht von Kommune zu Kommune anders aus. Es besteht wenig Hoffnung, dass sich die Kommunen künftig untereinander besser koordinieren.

Wie groß sind denn noch die Unterschiede zwischen Ost und West?

Man betrachtet meistens die Kommunalfinanzen und die Arbeitslosenquoten. Da gibt es immer noch spezielle Probleme. Dabei muss man sehen, dass Ostdeutschland ja immer noch finanzielle Zuweisung bekommt oder bekommen hat. Wir haben etwa in Nordrhein-Westfalen Kommunen, die viel höher verschuldet sind als manche im Osten. Ostdeutschland hat bei den Haushaltsbilanzen bisher gar nicht so schlecht abgeschnitten, weil es eben diese Transferleistungen gab. Aber man muss davon ausgehen, dass sich das ändert. Die Steuerbasis ist in den meisten ostdeutschen Kommunen sehr niedrig.

Wenn Sie in Lokalzeitungen Artikel über Kommunalpolitik lesen: Was halten Sie von der Berichterstattung? Greifen Lokalzeitungen diese Probleme adäquat auf?

Lokalzeitungen sind für die Vermittlung von Kommunalpolitik immer noch das Hauptmedium, sie erreichen aber viele Neubürger, Jugendliche nur noch bedingt. Ein Problem ist die Monopolisierung, etwa wenn es an bestimmten Orten nur noch eine Zeitung gibt. Die Redaktion bestimmt dann, was berichtet wird und was nicht. Man hat da als Kommunalpolitiker nicht die Chance, die eine gegen die andere Zeitung auszuspielen. Kritische Berichterstattung ist in solchen Fällen eher Zufall. Meistens will man sich nicht mit den lokalen Eliten, Bürgermeistern etc. anlegen, denn sie sind die wichtigsten Informationsquellen. Deswegen wird oft unkritisch berichtet.

Werden Themen vernachlässigt?

Die Themen Integration und demographischer Wandel könnten mehr beleuchtet werden. Das sind konfliktreiche Themen, die oft ein bisschen aufgespart werden. Wenn man zum Beispiel über Standortkonflikte bei Asylbewerberheimen berichtet, ist natürlich der Rechtspopulismus immer dabei. Immer wenn es Konflikte gibt, wenn man nicht weiß, wo die Mehrheit sitzt, dann ist der Lokaljournalismus zögerlich. Da wäre mehr Mut angebracht.

Interview: Stefan Wirner


Zur Person

Lars Holtkamp ist Professor für Politik und Verwaltung an der Fernuniversität Hagen.

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