Interview

„Manchmal unterschätzen wir die Leser"

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Bereits zum zweiten Mal wird in diesem Jahr der Ralf-Dahrendorf-Preis für Lokaljournalismus verliehen. Gestiftet wurde er von Dr. Christian Hodeige und Wolfgang Popen, den Verlegern der Badischen Zeitung. Prämiert werden Beiträge, „die in vorbildlicher Weise erklären, wie Demokratie auf lokaler Ebene funktioniert und wie sie sich entwickelt“, wie es auf der Internetseite zum Preis heißt. Mit dem Chefredakteur der Badischen Zeitung, Thomas Hauser, sprachen wir über die Bedeutung des Preises und jüngsten Veränderungen in der Struktur des Blattes selbst.

Herr Hauser, am 31. März war der Einsendeschluss für den Ralf-Dahrendorf-Preis, den die Badische Zeitung ausgeschrieben hat. Haben Sie schon einen Überblick über die Zahl der eingegangen Bewerbungen und Vorschläge? Sind es mehr als vor zwei Jahren?

Eine erste Durchsicht zeigt: Es sind in etwa genauso viele wie vor zwei Jahren: rund 60 Einreichungen.

Gibt es mehr Bewerbungen aus dem Online-Bereich als früher?

Da gibt es schon ein paar mehr. Aber die Ausschreibung begünstigt bislang doch die klassischen Formate. Die Jury wird darüber beraten müssen, ob und wie sich der Preis weiter öffnen soll.

Mit dem Ralf-Dahrendorf-Preis werden Beiträge ausgezeichnet, „die in vorbildlicher Art die Funktionsweise von Demokratie auf lokaler Ebene transparent machen“. Es geht dabei also um politische Bildung. Ist das ein Bereich, der im Lokalen zurzeit vernachlässigt wird?

Er wird sogar in doppelter Weise vernachlässigt. In vielen Redaktionen ist einfach nicht genug Zeit für tiefere Recherchen. Deshalb bleibt die Berichterstattung über Kommunalpolitik oftmals an der Oberfläche hängen. Außerdem wird von Seiten der Kommunen immer häufiger Geheimniskrämerei betrieben. Viele Entscheidungen werden in Ausschüssen getroffen, die nicht öffentlich tagen. Zum Teil werden die Themen auch in kommunale Unternehmen verlagert, bei denen zwar Gemeinderäte in den Kontrollgremien sitzen, aber keine Transparenz gegeben ist. Diese Geheimniskrämerei aufzubrechen, ist auch ein Sinn dieses Preises. Das war immer ein Anliegen von Ralf Dahrendorf.

Gerät diese journalistische Verantwortung im Lokalen möglicherweise in Zeiten der Krise ein wenig aus dem Blick? In den Verlagen macht man sich viele Gedanken über die neuen technischen Möglichkeiten, über Tablets, über den Online-Bereich – bleibt da der Inhalt auf der Strecke?

Das hängt natürlich von der jeweiligen Zeitung ab, aber es ist ein Phänomen, das sich beobachten lässt. Das geht bis zur Anbiederung an der Leserinnen und Leser. Sicherlich sind sie das Wichtigste, was wir haben, ohne Leser keine Zeitung. Aber manchmal unterschätzen wir sie auch, wenn wir sie nur mit locker-flockigen Themen und Erzählgeschichten versorgen. Das grenzt dann zuweilen schon an eine Beleidigung der Leser.

Spielen denn die Kriterien des Preises in Ihrem Redaktionsalltag eine Rolle? Stellen sie eine Art Leitbild dar?

Daran wird sicher immer wieder erinnert. Andererseits muss man aber selbstkritisch sagen, dass wir die gleichen Probleme haben wie viele andere Zeitungen auch. Oft fehlt die Zeit, sodass manches nicht so gründlich recherchiert und gut geschrieben werden kann, wie es sein sollte. Die viel gewünschte investigative Recherche unterbleibt ja oft nicht deshalb, weil sich die Kollegen nicht trauen würden, sondern einfach, weil sie keine Zeit haben. Und gerade Zeit benötigt man bei investigativen Geschichten. Je heikler ein Thema, umso genauer muss es bearbeitet werden. Schon ein kleiner Schreibfehler kann einem da große Schwierigkeiten bereiten.

Die Badische Zeitung fördert guten Lokaljournalismus, will aber auch selbst immer besser werden. Sie haben zuletzt neue Seiten im Blatt eingeführt: eine für Verbraucherthemen („Clever leben“), eine zusätzlich Seite mit Regionalthemen „Land und Region“, die TV-Seite wurde erneuert und eine Forumsseite kam hinzu. Was waren die Gründe für diesen kleinen Relaunch?

Wenn man unsere Auflagenentwicklung betrachtet, muss man feststellen, dass wir nach einigen sehr guten Jahren zuletzt auch mehr Mühe hatten. Also haben wir uns gefragt, was man tun könnte, um die Auflage wieder zu stabilisieren. Auch die Anzeigenmärkte gestalten sich ja nicht so, wie man sich das wünschen würde. Dazu kamen dann die Erkenntnisse, die wir im vergangenen Jahr aus einer Leserbefragung gewonnen haben. Ein Teil dessen, was wir da erfahren haben, setzen wir nun um. Wir haben auch ein wenig von dem zurückgenommen, was wir bei der letzten großen Anzeigenkrise im Jahr 2009 im Rahmen eines Sparpakets verändert haben. Man lernt eben mit der Zeit dazu.

Sie haben die Verbraucherthemen gestärkt. Wie funktioniert die Seite „Clever leben“?

Sie gehört zu dem Konzept, das wir bereits im Jahr 2006 beschlossen haben. Wir haben ja verschiedene Seiten wie etwa „Zusammen leben“, „Gesund leben“, „Digital leben“. Jeden Tag sollte eine dieser Seiten im Blatt sein. Die „Clever-leben“ wurde dann zeitweilig aus Spargründen abgeschafft, nun haben wir sie wieder eingeführt. Dabei haben wir das Konzept ein bisschen verändert, weil wir festgestellt haben, dass heutzutage im Alltag zahlreiche Fragen auftauchen – von der Geldanlage bis hin zu praktischen Dingen im Haushalt – die wir handlungsorientiert beantworten wollen. Das tun wir auf dieser Seite.

Auf der Seite „Land und Region“ gibt es neuerdings ein Interview-Format. Was hat es damit auf sich?

Die Leserbefragungen haben gezeigt, dass der Samstag der intensivste Lesetag ist. Die Leute nehmen sich am Wochenende einfach mehr Zeit für ihre Zeitung. Deshalb haben wir beschlossen, am Wochenende auch mehr regionale Information ins Blatt zu nehmen, und zwar nicht in den üblichen Stilformen, die man sowieso die ganze Woche über verwendet. Da boten sich Formen wie das Interview oder das regionale Porträt an. So kann man passenden Lesestoff fürs Wochenende anbieten, nicht nur Schweres, sondern eben auch einmal etwas Leichteres und Schönes.

Wie werden die Seiten aufgenommen? Gibt es schon Reaktionen?

Keine Reaktion ist ja meist eine positive Reaktion, weil sich Leser in der Regel nur melden, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Kritik gab es allerdings daran, dass wir die Fernsehseite verändert haben, insbesondere daran, dass wir die Sportprogramme in den Sportteil ausgelagert haben, wo es nun eine tägliche Ecke für Sport im Fernsehen gibt. Das kam bei einigen nicht so gut an. Aber insgesamt sind wir mit den Reaktionen zufrieden. Gerade in persönlichen Gesprächen erhielten wir viele positive Rückmeldungen.

Der Preis:

Benannt ist der Preis nach dem im Jahr 2009 verstorbenen Sozialwissenschaftler, Politiker, Publizisten und Berater der Badischen Zeitung, Ralf Dahrendorf. Lesen Sie hier einen Artikel über die Preisträger aus dem Jahr 2011.

Thomas Hauser

... ist Chefredakteur der Badischen Zeitung aus Freiburg.
Tel.: 0761 – 49 60
Mail: Hauser@badische-zeitung.de

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