Interview

„Themen erkennen, frühzeitig berichten“

von

Junge Journalisten verdrehen beim Wort Kommunalpolitik schnell die Augen, meint Johann Stoll. Der Redaktionsleiter aber weiß, wie man Volontäre für das Thema begeistern kann.

Eine Volontärin, die das Seminar besucht hat, das Sie für die Augsburger Allgemeine und die Allgäuer Zeitung geleitet
haben, sagte: „Wer als Lokaljournalist gute Geschichten über lebensnahe Themen erzählen will, kommt an Politikern nicht vorbei.“ Stimmt das?
Ich denke nicht, dass wir vorrangig Politiker brauchen, um über das lebensnahe Umfeld zu berichten. Wir kommen aber nicht an Kommunalpolitik vorbei, weil sie im Alltag große Bedeutung hat – von der Geburt über Schule, Hausbau und den Tod. Deshalb ist es so wichtig, unseren journalistischen Nachwuchs dafür zu begeistern, was alles Kommunalpolitik ist.


Haben Sie da noch mehr Beispiele?
Der Frage nachgehen, wie Dörfer mit Leerstand umgehen, ist Kommunalpolitik. Zu hinterfragen, welche Aufwandsentschädigungen Politiker erhalten, ist Kommunalpolitik. Zu fragen, warum so wenige Frauen in den Städten und Gemeinden politisch mitarbeiten, kann spannender Lesestoff sein. Aber wer fundiert berichten will, braucht Fakten an die Hand. Er muss wissen, welche Rechte ein Journalist hat und wo er Informationen finden kann.


Wie vermittelt man das angehenden Redakteuren?
Unter anderem durch Seminare. Teil des Kurses bei der Augsburger Allgemeinen waren daher Grundlagen der  Kommunalpolitik. Wie begegnen wir Politikern? Wie gehen wir mit vertraulichen Infos um? Es ging auch um die Organisation, um die Pflege von Kontaktdaten oder darum, welche Fragen wir uns vor der Berichterstattung stellen sollten, zum Beispiel: Warum greife ich ein Thema auf?


Wie wichtig finden das Volontäre heute?
Junge Journalisten verdrehen schnell die Augen, wenn von Kommunalpolitik die Rede ist. Sie sind kaum bereit, sich in die Materie einzuarbeiten. Wenn man Volontären aber aus dem Alltag erzählt und ihnen klarmacht, dass es nicht um Rathausberichterstattung geht, sondern um spannende Themen, dann lässt sich doch der eine oder andere begeistern.

Sie haben Ende der 80er Ihr Volontariat gemacht. Wie wurde damals über Kommunalpolitik berichtet?
Was Politiker A gesagt und was B geantwortet hat, wurde früher ausführlichst dokumentiert. Hofberichterstattung war eher die Regel als die Ausnahme. Heute haben wir mehr die Folgen für unsere Leserinnen und Leser im Auge.


Und worauf kommt es dabei an?
Einfach Entscheidungen zu dokumentieren, wie das früher gemacht wurde, ist zu wenig. Sich von einem Lokalredakteur im Kommentar sagen zu lassen, dass ein Bürgermeister einen Fehler gemacht hat, finden die Betroffenen genauso unangemessen wie vor 30 Jahren. Heute geht es vor allem darum, die für unsere Leser relevanten Themen zu erkennen und möglichst frühzeitig darüber zu berichten.


Journalisten sind der Kritik auf Artikel direkt ausgesetzt. Wie bereitet man Volontäre darauf vor?
Zunächst einmal rate ich jedem, sich im Falle einer Beschwerde zu fragen, ob der Beschwerdeführer vielleicht Recht haben könnte. Wenn uns ein Fehler unterlaufen ist, dann müssen wir unverzüglich dafür sorgen, dass das öffentlich wieder zurechtgerückt wird. Wenn wir uns nichts vorzuwerfen haben, dann hilft das Gespräch mit erfahrenen Kollegen, die sturmerprobt sind.


Gibt es genug gute Weiterbildungsangebote?
Die Modellseminare der Bundeszentrale für politische Bildung etwa sind unübertroffen.
Da lernen wir alle voneinander. Die AZ selbst bietet Unterschiedliches an: Da gehört Haushaltsberichterstattung ebenso dazu wie das Kennenlernen der Arbeit von Bezirk und Regierung. Volos lernen auch, eine Gemeinde zu betreuen. So kommen sie mit Kommunal-politik und ihren Protagonisten in Kontakt.

 

 

Zur Person

Johann Stoll ist Redaktionsleiter der Mindelheimer Zeitung und Gruppenleiter beim Modellseminar „Rock das Rathaus“ der Bundeszentrale für politische Bildung im April in Augsburg.
Telefon 08261 – 99 13 22
E-Mail johann.stoll@mindelheimer-zeitung.de

 

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