Interview

Wenn Mitmenschlichkeit missbraucht wird

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Sebastian Martin recherchiert über rechtsextreme Gruppen in der Region Bamberg. (Foto: Lea Schreiber)
Sebastian Martin recherchiert über rechtsextreme Gruppen in der Region Bamberg. (Foto: Lea Schreiber)

In der Corona-Krise engagieren sich viele Menschen in der Nachbarschaftshilfe. Rechtsextreme versuchen, den Trend für sich zu nutzen. Der Fränkische Tag aus Bamberg berichtet darüber. Wir sprachen mit dem Lokalredakteur Sebastian Martin.

Herr Martin, wie sind Sie darauf gekommen, sich mit rechtsextremer „Nachbarschaftshilfe“ während der Coronakrise zu befassen?

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Im März haben sich Menschen in und um Bamberg beispiellos in Nachbarschaftshilfen organisiert, um anderen zu helfen, die aufgrund des Corona-Risikos nicht mehr aus dem Haus konnten. Darüber hatten wir auch berichtet. Dann bekamen wir auf verschiedenen Kanälen mit, dass es auch Gruppierungen gibt, die diese Hilfswelle für ihre Zwecke missbrauchen wollten. In diesem Fall für rechtsextreme Propaganda des sogenannten Dritten Wegs. Wir wollten darüber aufklären. Auch vor dem Hintergrund, dass der „Dritte Weg“ zuletzt im Februar durch Bamberg marschiert ist – darunter waren fränkische und thüringische Neonazis.

Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen?


Ich nahm Kontakt zum Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus auf und recherchierte parallel in sozialen Netzwerken zu dem vermeintlichen Hilfsangebot. Der „Dritte Weg“ warb bereits auf seiner offiziellen Homepage dafür. Die Köpfe hinter dem örtlichen Ableger der neonazistischen Partei sind unserer Redaktion aus anderen Recherchen bekannt.

In den Beitrag sind das Banner der Partei "Der Dritte Weg", eine Umfrage und ein Video eingebunden. Haben Sie das Banner einfach abfotografiert?

Wir haben ein Bild des Banners aus dem Netz reproduziert.

Wer hat das Video von der Demo gemacht?

Das Video des Neonazi-Aufmarschs im Februar und der großen Gegendemos haben die Kollegen aus der Online-Redaktion angefertigt und eingebunden.

In der Abstimmung geht es um die Frage, ob die Gefahr, die von rechtsextremem Terror in Deutschland ausgeht, unterschätzt wurde. Welches Abstimmungstool haben Sie hierfür benutzt?

Die Abstimmung auf haben auch die Online-Kollegen erstellt und eingebunden. In der nicht-repräsentativen Befragung mit dem Tool von Opinary sagten im Übrigen 60 Prozent von über 600 Usern, dass die Gefahr durch rechtsextremen Terror in Deutschland von den Behörden unterschätzt wurde.

Warum haben Sie zusätzlich Informationen zu Betrugsmaschen in der Krise in den Artikel eingebracht?


Wir wollten von der Polizei genauer wissen, wie damit umgegangen wird, und den Leser darauf aufmerksam machen, dass er auch in der Corona-Zeit ihm unbekannte Angebote kritisch hinterfragen sollte. Und das betrifft nicht nur rechtsextreme Propagandaversuche, sondern auch andere mögliche Betrügereien. Für ältere Menschen sind seriöse Nachbarschaftshilfen ein wichtiges Angebot, doch gerade diese Gesellschaftsgruppe läuft besonders Gefahr, Opfer von Enkeltrick und Co. zu werden – dafür wollten wir sensibilisieren.

Recherchieren und schreiben Sie häufiger über das Thema Rechtsextremismus?


Über das Thema Rechtsextremismus berichten meine Kollegen und ich schon länger. Wie bereits gesagt, gibt es im Raum Bamberg einen zwar kleinen, aber dennoch aktiven Kreis an zum Teil vorbestraften Neonazis. Unter anderem waren enge Vernetzungen zum bundesweit verbotenen rechtsextremen Verein „Weisse Wölfe Terrorcrew“ vorhanden. Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder Aufmärsche in Bamberg, die allerdings von großen Gegenprotesten aus dem linken, aber vor allem auch bürgerlichen Lager begleitet wurden. Der demokratische Widerstand gegen Neonazis ist in Bamberg zum Glück enorm.

Interview: Selly Häußler

Sebastian Martin

ist Lokalredakteur des Fränkischen Tags in Bamberg. E-Mail: s.martin@infranken.de

Hier geht es zum Beitrag im Fränkischen Tag.

Alle Beiträge rund um das Thema Corona sammeln wir in unserem Corona-Dossier.

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