Leseranwalt

Auf der Suche nach Namen

von Gastautor

Aus drehscheibe 06/2025

Ein Leser, der sich mit seinem Anliegen an die Redaktion der Oberpfalz Medien wendet, ist unzufrieden: Er nimmt Bezug auf einen Beitrag, der die illegale Müllentsorgung in Tschechien in den Fokus rückt. Was ihm fehlt, ist die Nennung der Firma, die dafür verantwortlich ist. Der Leser schreibt: „Warum wird hier nicht auf Transparenz gesetzt? Benutzen Sie doch einfach das Wort ‚mutmaßlich‘ und die Sache hat sich. Die Öffentlichkeit hat ein Recht, umfassend und von Anfang an ehrlich mit allen Daten informiert zu werden.“

Stefan Zaruba, Leiter der Zentralredaktion und Mitglied der Chefredaktion der Oberpfalz Medien, versichert dem Leser daraufhin, dass sich die Redaktion bei jedem Thema, das von möglicher Kriminalität oder auch schweren Unglücken handelt, mit der Frage, die er aufwirft, eingehend beschäftigt: „Nennen wir, sofern uns überhaupt bekannt, Namen? Das können Namen von Unternehmen sein, von Behörden, Vereinen, Einrichtungen des Gesundheitswesens oder der Kirchen. Oder auch Namen einzelner Menschen, die oft deckungsgleich mit Firmennamen sind. Diese können mutmaßliche Verursacher sein oder Opfer. Da haben wir also diesen Begriff ,mutmaßlich‘, den Sie empfehlen, um ihn im vorliegenden Fall zusammen mit einem Unternehmensnamen zu verwenden.“

Zaruba erläutert weiter, dass dieser Begriff eine wichtige Funktion in vielen Beiträgen habe, zeige er doch an, dass wir zum Beispiel einen Tatverdächtigen oder selbst einen Angeklagten in einer laufenden Verhandlung nicht als „Täter“ vorverurteilen, sondern dass die Unschuldsvermutung gilt. Die wenigen und offensichtlichen Ausnahmen würden beispielsweise Attentäter betreffen, „die bewusst in aller Öffentlichkeit handeln und noch bei der Tat festgesetzt werden“. Unabhängig vom Adjektiv „mutmaßlich“ könne die Nennung eines Namens aber schutzwürdige Interessen von Menschen, Unternehmen oder Organisationen verletzen. „Das gilt für Beschuldigte wie für Opfer“, betont Zaruba. Neben Namen gebe es weitere Merkmale, die in Kombination zu einer Identifizierung führen können: Bilder, kleinräumige Ortsangaben, Altersangaben oder exakte Tätigkeitsfelder. „Wir wägen daher regelmäßig ab, welche Angaben angemessen sind.“

„In einer laufenden Verhandlung sollten Tatverdächtige nicht vorverurteilt werden.“

Der Meinung des Lesers, dass die Öffentlichkeit ein Recht habe, vollumfänglich informiert zu werden, widerspricht Zaruba: „Ein Recht auf öffentliche Preisgabe aller persönlichen Daten gibt es nicht. Im Gegenteil, dem steht der Datenschutz entgegen, der ein hohes Gut unserer Gesellschaft ist.“ So heißt es auch in Ziffer 8 des Deutschen Presserats: „Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein. Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.“

Zusammenfassend teilt Zaruba dem Leser mit: „Alle diese Gesichtspunkte fließen in unsere Abwägungen ein. Bisher sind wir zu dem Schluss gekommen, nicht identifizierend über das von Ihnen angesprochene Unternehmen zu berichten. Das kann sich im weiteren Verlauf der Recherchen oder des Verfahrens durchaus ändern.“

Der Text erschien zuerst auf Onetz.de am 7. März 2025.

Jürgen Kandziora

Autor

Jürgen Kandziora ist Leseranwalt des Neuen Tags aus Weiden in der Oberpfalz.

E-Mail: juergen.kandziora@oberpflazmedien.de

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