Leseranwalt

Die Frage nach der Herkunft

von

Aus drehscheibe 13/2021

Es geht um zwei von uns veröffentlichte Polizeimeldungen. In der einen hieß es: „Ein 32-Jähriger tankte (...) sein Fahrzeug (...) in Amberg und fuhr davon, ohne zu bezahlen. Ein Angestellter meldete daraufhin der Polizei, dass sich ein weißer Kleintransporter mit ausländischer Zulassung entfernt habe.“ Der später gefasste Tankbetrüger, so stand es weiter in dem Artikel, war ein „deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Italien“.

Meldung Nummer zwei befasste sich mit einer sexuellen Belästigung bzw. Nötigung. „Bei dem Tatverdächtigen handelte es sich um einen 29-jährigen Mann mit Wohnsitz in Regensburg“, lautete es in dem Artikel. Das Polizeipräsidium hingegen hatte in seinem Pressebericht und auf der eigenen Internetseite von einem „29-jährigen Mann mit irakischer Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in Regensburg“ gesprochen.

Auch deshalb wandte sich „ein jahrzehntelanger Abonnent“ an mich. Leitlinie der Redaktion sei es ja wohl, dass die Nationalität bei Nichtdeutschen in der Regel unerwähnt bleibe, schrieb er. Die zahlreichen Diskussionen in der Zeitung über das Für und Wider seien ihm bekannt und „unterlassene Hinweise, die auf eine bestimmte Nationalität schließen lassen, (...) auch so absolut in Ordnung“. Wenngleich etwa die Bezeichnung „Südländer“, die noch keine Rückschlüsse auf eine bestimmte Nationalität zulasse, bei der Suche nach unbekannten Straftätern „oftmals durchaus hilfreich und angemessen“ wäre. Denn, so der Leser: „Ein ,südländisches Erscheinungsbild‘ behält der Bürger eben besser im Gedächtnis als einen etwa 25-jährigen Mann mit normaler Statur und dunklen Haaren‘.“

„Schwer nachzuvollziehen“ ist für den Abonnenten allerdings, „dass es mittlerweile (...) gängige Praxis zu sein scheint (...), die Nationalität bei deutschen Tätern explizit zu erwähnen“. Damit stellten sich unter anderem folgende Fragen: „Wird hier nicht der Gleichheitsgrundsatz außer Kraft gesetzt? Kann/soll der Leser dann künftig etwa davon ausgehen, dass bei Nichterwähnen der Nationalität der Täter grundsätzlich Nichtdeutscher ist?“

Hinzu komme, dass man sich in der heutigen Zeit auch anderer, insbesondere digitaler Informationsquellen bediene, dort eine „vollständige
Täterbeschreibung“ stattfinde „und so die Glaubwürdigkeit einer ansonsten sehr seriösen Berichterstattung infrage gestellt werden könnte“. Der Leser betonte, dass dies seine private Meinung sei, es aber inzwischen viele gebe, die ebenso dächten. „Ich möchte hier nicht den Eindruck einer ausländerfeindlichen Einstellung erwecken, die ich in keinster Weise vertrete. Aber der Gleichheitsgrundsatz sollte in allen Fällen gewahrt bleiben“, meint der Leser, der am Ende folgenden Wunsch formulierte: „Nennung der Nationalität, wie bislang gehandhabt, nur in besonderen Fällen, aber gleiche Anwendungspraxis (...) auch bei Deutschen.“

Ich teilte ihm mit, dass ich ganz seiner Meinung bin: Die Nationalität zu erwähnen, ist in der Regel nur bei schweren Straftaten beziehungsweise in besonderen Fällen angebracht. Auch in Sachen Gleichheitsgrundsatz stimme ich zu. Die erste Geschichte fällt sicherlich nicht in die Kategorie „schwere Straftat“. Zu Beginn des Textes taucht allerdings der Hinweis auf, dass ein „weißer Kleintransporter mit ausländischer Zulassung“ in dem Geschehen eine Rolle gespielt hatte. Um den Leser hier nicht im Unklaren zu lassen, folgte die „Auflösung“: Täter ist ein Deutscher mit Wohnsitz Italien. Das ist in diesem speziellen Fall relevant.

Bei dem Sexualdelikt stellt sich die Frage: War die sexuelle Nötigung wirklich eine als schwer einzustufende Straftat? Hier dürften die Meinungen auseinandergehen. Ich würde dem Übergriff schon eine gewisse Schwere zuschreiben und hätte mit der Erwähnung der Nationalität hier kein Problem.

Wichtig ist ein einheitliches Vorgehen in der Berichterstattung, das meistens auch stattfindet. Gibt es Ausnahmen, so sprechen wir das im Redaktionskreis in der Regel auch an.

Dieser Text ist eine gekürzte Version des Originalartikels aus dem Neuen Tag.

Thomas Hauser

Autor

Jürgen Kandziora ist Leseranwalt des Neuen Tags aus Weiden in der Oberpfalz.

Mail: juergen.kandziora@oberpfalzmedien.de
Telefon: 0961 – 854 44

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