Leseranwalt

Journalistischen Grundsatz verletzt

von

Aus drehscheibe 13/2019

 

Es geht um einen journalistischen Grundsatz. So zitiere ich stellvertretend nur aus einer von drei Beschwerden, die mich zur Berichterstattung über die Aktion von rund 20 Frauen der Protestbewegung „Maria 2.0“ erreicht hat. Das ist eine Gruppe, die sich für Geschlechtergerechtigkeit und Priesterinnenweihe in der katholischen Kirche einsetzt (Anm. d. Red.). Eine freie Autorin berichtete über den Vorabendgottesdienst zu Mariä Himmelfahrt in der Kirche von Forst (Landkreis Schweinfurt). Dazu gab es folgende Zuschriften: „Der Pfarrer in Forst wurde durch [die Berichterstatterin] und Gefolge vor vollendete Tatsachen gestellt! Das (…) darf von der unabhängigen Main-Post nicht geduldet werden! Ich werfe ihr nicht eine andere Ansicht vor, sondern das Vorgehen. Das war hinterhältig und böse und muss in einer Zeitung klar zur Sprache kommen, dass dieses Vorgehen in dieser Form nicht geht.“

Die freie Journalistin, die im Auftrag der Redaktion aus dem Gottesdienst berichtete und dazu kommentierte, ist nicht böse. Aber sie beging einen schweren Fehler, den sie mittlerweile bereut: Sie erschien im weißen Gewand, genau wie die Damen der Protestbewegung. Sie gab damit journalistische Unabhängigkeit sichtbar auf. Offen hat sie vor Ort kundgetan, dass sie zur Bewegung „Maria 2.0“ steht und dass sie die Aktion unterstützt. Das steht im Widerspruch zu journalistischen Grundsätzen und gilt als Befangenheit, obwohl die Kollegin ihre Meinung ohne diesen Auftritt journalistisch ja hätte darlegen dürfen. So aber hat sie sich schon vor Ort als neutrale Berichterstatterin unglaubwürdig gemacht.

Kritiken an der Berichterstattung über die Protestaktion richten sich nun auch gegen die Redaktion und die freie Journalistin. Das ist kein Wunder. Doch angefangen vom Bericht der Frau, der am 16. August im Lokalteil erschienen und der einzige dazu von ihr geblieben ist, habe ich die gesamten auch überregionalen Beiträge nachgelesen und nichts festgestellt, was als falsch einzustufen wäre. Alle Standpunkte wurden dargestellt. Meinungen sind nachvollziehbar. Und es erschienen Leserbriefe in Pro und ­Kontra, überregional und lokal. Das sowohl zu den Vorgängen in Forst als auch allgemein zur Bewegung „Maria 2.0“.

Fehler haben auch Kritiker auf meine Nachfragen nicht konkret benannt. Die wiederholten Vorwürfe an die lokale Mitarbeiterin und gegen die Berichterstattung erfolgten heftig, blieben freilich meist ungenau. Erst bei eigenen Nachforschungen bin ich auf den Fehler mit der Kleiderordnung gestoßen.

Doch der Makel bleibt: Denn wenn schon aktives Mitmachen, dann hätte auch über den Auftritt in Weiß berichtet werden müssen – als Möglichkeit der Einordnung für die Leserschaft. Diese Transparenz, die vielleicht etwas hätte retten können, fehlt bislang. Richtig wäre es gewesen, hätte die Redaktion den Auftrag gleich an eine unbefangene Person vergeben. Das bedeutet natürlich nicht, dass Redaktionsmitglieder immer meinungsfrei sind. Keineswegs. Sie müssen sich aber für andere Ansichten öffnen und auch die eigenen überprüfen. Was freilich immer für alle Journalisten gilt.

Und man lernt aus dem Fall. Die Redaktion hat schon am Tag nach dem ersten Bericht reagiert. Sie hat die Sache Forst selbst, aber doch zu spät in die Hand genommen. Der Vorgang in der Kirche des kleinen Dorfes erregte bundesweit Aufsehen. Er musste aufgegriffen (was einige Kritiker für übertrieben halten) und weiterverfolgt werden. Er ist von öffentlichem Interesse, was überhaupt für die Aktion „Maria 2.0“ gilt.

Jenen Kritikern, die nun sogar eine Trennung von der freien Autorin, die zuerst berichtete, erwarten, halte ich entgegen: Mit Fehlern und den Ursachen verantwortlich, aber unbeeinflusst umzugehen, bleibt Aufgabe der Redaktion. Auch in diesem Fall. Ein großes Stück ihrer Unabhängigkeit könnte aber verloren gehen, wollte sie Unzufriedenen einfach nachgeben. Es kann nicht im Sinne von Lesern und Nutzern sein, dass Einfluss genommen werden kann, auch nicht auf diese Weise.

Der Beitrag erschien am 3. Oktober auf Mainpost.de

Anton Sahlender

Autor

Anton Sahlender war von 1988 bis 2014 stellvertretender Chefredakteur der Main-Post. Seit 2004 ist er Leseranwalt der Zeitung und kümmert sich um die Interessen der Leser.

Telefon: 0170 – 836 28 80
Mail: anton.sahlender@mainpost.de

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