Leseranwalt

Richtig trennen ist das A und O

von

Aus drehscheibe 07/2022

Eine Doppelseite im Magazin der Wochenendausgabe über ein örtliches Architekturbüro nahm Leser G. S. zum Anlass für eine „generelle Frage“. Ab und zu, so schrieb er mir, würden in unserer Zeitung „auch Lobeshymnen über andere große Unternehmen der Region“ erscheinen. „Etwas polemisch gefragt: Wo hört für den Neuen Tag kritiklose Berichterstattung auf und fängt Werbung an? Wie entscheiden Sie, welchen Unternehmen Sie großformatige, freundliche Berichte widmen?“, wollte der Leser wissen. Wobei er auf eine entsprechende Rückfrage von mir einräumte, dass er keine Artikel zu den von ihm genannten regionalen Unternehmen nennen könne, „das liegt schon zu weit zurück“. Vorab teilte ich G. S. mit, dass ich bei der Architekten-Geschichte keine Schleichwerbung erkennen kann.

Weil das Büro mit seinen Bauten und Projekten seit mehr als zwei Jahrzehnten die architektonische Landschaft der Oberpfalz prägt, hatte sich Autorin Maria Oberleitner unter der Überschrift „Die Kraft der Heimat“ dem Schaffen der Architekten gewidmet. Oberleitner bat sie, ihre Lieblingsprojekte vorzustellen. Das Büro wählte acht aus, „die die Vielfalt der Bauaufgaben und der Oberpfälzer Architektur zeigen sollen“, wie es im Text hieß. Alle genannten Beispiele haben eines gemeinsam: Sie sind von öffentlichem Interesse. Und genau das ist der Punkt.

Dieses öffentliche Interesse rechtfertigt einen Beitrag über die wichtigsten Projekte des Architekturbüros. Der Deutsche Presserat spricht dann von Schleichwerbung, wenn redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, „über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser“ hinausgehen oder „von dritter Seite“ bezahlt beziehungsweise durch geldwerte Vorteile belohnt werden. Das war natürlich bei dem Artikel nicht der Fall.

„Wirtschaftsberichterstattung ist eine ureigene Aufgabe aktiver, auf umfassende Informationsvermittlung ausgerichteter Medien“, halten Soehring/Hoene in ihrem Standardwerk „Presserecht“ fest. Die Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit gebietet laut Pressekodex, „dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.“

Es ist Aufgabe einer Redaktion, diese klare Trennung einzuhalten. Denn „werbliche Botschaften, die sich in redaktionelle Teile einschleichen, nehmen viele Mediennutzer nicht mehr als Werbung wahr, sondern als Aussagen oder gar Empfehlungen der Redaktion, die eine höhere Vertrauenswürdigkeit genießt als jede Werbeaussage des Unternehmens selbst“, geben die Presserechts-Experten der Initiative Tageszeitung (ITZ) zu bedenken. Juristisch würde es sich dann um redaktionelle Werbung handeln – und diese sei ohne Kennzeichnung eben verboten.

Auch die ITZ-Juristen betonen, dass es zum Informationsauftrag der Medien gehöre, über Unternehmen, Produkte und Dienstleistungen zu berichten. „Wichtig ist nur, dass die Sachinformation im Vordergrund steht und nicht mit übermäßig lobenden Aussagen über das Unternehmen, seine Leistungen und Produkte vermischt ist“, heben sie hervor. Leser möchten erfahren, was sich bei solchen Unternehmen tut, denn schließlich sind sie ja große Arbeitgeber in der Region. Ob es sich dann um „Lobeshymnen“, „kritiklose Berichterstattung“ oder „freundliche Berichte“ handelt, von denen Leser G. S. spricht, liegt im Auge des Betrachters.

Dieser Text wurde gekürzt und redaktionell bearbeitet. Der vollständige Beitrag erschien in der Zeitung Der neue Tag.

Thomas Hauser

Autor

Jürgen Kandziora ist Leseranwalt des Neuen Tags aus Weiden in der Oberpfalz.

Mail: juergen.kandziora@oberpfalzmedien.de
Telefon: 0961 – 854 44

Veröffentlicht am

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Kommentieren

Bei den mit Sternchen (*) markierten Feldern handelt es sich um Pflichtfelder.