Lokaltipp Januar 2010

Kleine Katastrophen

von

Ausschnitt aus dem Weser-Kurier
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Aus dem Weser-Kurier im April/Mai 2009

Der Dreh

Was tun, wenn...? In einer großen Serie beschäftigt sich die Redaktion mit Notfällen im Alltag. Und verdient damit sogar noch Geld. Von Peter Voith

Die Umsetzung

Alles fing damit an, dass eine Kollegin aus der Redaktion ihr Portemonnaie verloren hatte. Scheckkarte, Führerschein, Fahrzeugschein – alles weg. Sie war völlig hilflos und wusste überhaupt nicht, was – schon gar nicht: was zuerst – zu tun ist. Und so kamen wir auf die Idee: Wenn schon die Kollegin so hilflos auf einen alltäglichen Notfall reagiert, dann dürfte es unseren Leserinnen und Lesern ähnlich gehen. Somit war die Idee zur Serie geboren. Wie erfolgreich sie werden würde, und dass am Ende damit sogar noch Geld zu verdienen ist, das hat uns in der Redaktion selbst überrascht.

1. Schritt: Brainstorming in der Lokal-Konferenz. Wir setzten uns hin und sammelten persönliche Erfahrungen. Der eine Kollege hatte gerade einen Wasserrohrbruch zu Hause, dem anderen war vor einigen Wochen das Auto abgeschleppt worden, wiederum einer anderen ist es passiert, dass sie ihre Haustürschlüssel verloren hatte und einen – ziemlich teuren – Schlüsseldienst kommen ließ. So kamen etwa sieben Themengebiete zusammen.

2. Schritt: Wir schrieben eine Rundmail an die anderen Redaktionen, sowohl im Hause als auch an unsere Regionalredaktionen, um weitere Fälle zu sammeln und dann in Themengebiete zu bündeln. Insgesamt kamen wir auf 14: Versicherungsfälle, Notdienste, Fundsachen, Papiere, Schlüssel, Geld, Kinder, Verträge, Auto, Reisen, Parken, Fahrkarten, Post und Computer.

3. Schritt: Wir überlegten uns zunächst einen griffigen Serientitel und kamen auf: "Erste Hilfe im Alltag".

4. Schritt: Dann das Konzept. Unsere Grundidee war: Reportage-Elemente mit  Service-Elementen sinnvoll verknüpfen. Die Hauptgeschichte drehte sich infolgedessen immer um einen Mann oder eine Frau, die sogenannten Notfallhelfer, die aus dem Nähkästchen plauderten und ihre Erlebnisse schilderten. Selbstverständlich handelte es sich bei den Personen um Menschen aus der Region.  Also den Klempner von nebenan, den PC-Doktor, den Helfer vom Schlüsseldienst, den Leiter des Fundbüros oder den Facharzt im Krankenhaus, der weiß, was zu tun ist, wenn Kinder versehentlich Gift geschluckt haben. Dazu eine Kurz-Information: Wie man zu so einem Notfallhelfer werden kann.

5. Schritt: Die Leser beteiligen. In einem Kurzaufruf haben wir die Leser animiert, uns ihre Notfall-Geschichte aufzuschreiben (per Mail oder Post) und zu erklären, wie und wer ihnen damals geholfen hat.

6. Schritt: Die eigentlichen Notfälle, die immer mit der Frage beginnen sollten: "Was tun, wenn…". Hier werden möglichst die gängigsten Fälle beschrieben, um viele Leser anzusprechen.

7. Schritt: Ganz wichtig: Die Service-Elemente. Die wichtigsten lokalen Adressen, Telefonnummern und – wenn sie denn helfen – überregionalen Internet-Adressen.

8. Schritt: Alle Seiten werden fertig vorab layoutet, um das einheitliche Erscheinungsbild zu gewährleisten. Die Kollegen bekommen feste Abgabetermine, damit die Serie dann am Zeitpunkt X auch blemlos starten kann. Damit die Leser wissen, welche Serienteile sie erwarten (oder ob sie möglicherweise einen Teil, der sie interessiert, verpasst haben), haben wir unterhalb des Serienkopfes die Thementabelle platziert und das aktuelle Thema farbig unterlegt.

9. Schritt: Wie können wir die Serie vor dem Start bewerben (Radio? Kiosk-Aufsteller?). Einen Tag vor dem Start einen kleinen Artikel: Morgen startet unsere Serie "Erste Hilfe im Alltag".

10. Schritt: Jeden Tag haben wir oberhalb des Bruchs auf der Titelseite den jeweiligen Serien-Teil angekündigt, was helfen kann, die verkaufte Auflage  beim Bäcker oder am Kiosk zu erhöhen.

11. Schritt: Die Broschüre. Nach Beendigung der 14-teiligen täglichen Serie kamen aus der Leserschaft Anregungen, ob wir aus der Serie nicht eine kleine Broschüre machen könnten. Zur Finanzierung suchten wir das Gespräch mit der Anzeigenabteilung, die schließlich Anzeigenkunden zur Gegenfinanzierung der Broschüre gewinnen konnte. Bei den Texten für die Broschüre verzichteten wir selbstverständlich auf die Reportage-Elemente und beschränkten uns auf die Beantwortung der Fragen, die einen interessieren, wenn einem das Malheur passiert ist: Die Überschriften hatten immer das gleiche Muster: "Wenn Diebe das Sparbuch gestohlen haben", "Wenn das Kind Gift geschluckt hat", "Wenn der Schlüssel weg ist" und so weiter. Dazu stellten wir dann die Anlaufadressen für die erste Hilfe. Beim Thema Wasserrohrbruch etwa ließen wir absichtlich Platz für Notizen. Denn dort sollten die Leser auch selbst etwas eintragen können, zum Beispiel: "Meine Sanitär-Nothilfe".

Fazit: Der Erfolg dieser Broschüre, die wir in unserem Pressehaus und den regionalen Zeitungshäusern verkauften (Schutzgebühr: 2,50 Euro) hat uns selbst überrascht. Wir mussten sie viermal nachdrucken und haben etwa 15.000 Exemplare verkauft. Selbst die Polizei hatte 60 Exemplare geordert und sie in ihren Revieren ausgelegt. Der Grund: Dort haben öfter junge Beamte Dienst, die sich vor Ort noch nicht so gut auskennen. Und da auch die Polizei etwa beim Thema Schlüsseldienst oder Wasserrohrbruch angerufen wird, brauchen die jungen Beamten nur das Heft aufzuschlagen, um ihren aufgeregten Anrufern helfen zu können. Aber nicht nur das: Inzwischen hat auch der örtliche Blindenverein in Bremen die Broschüre herausgegeben – in Blindenschrift und als Hörbuch.

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