Ein Fall für den Presserat

Die Gesinnung beim Namen nennen

von

Der Fall:

Eine Regionalzeitung veröffentlicht online einen Beitrag über den Austritt eines Kreistagsmitglieds aus der NPD. Die Überschrift lautete „Die NPD war ihm nicht mehr radikal genug“. In dem Beitrag wird darauf Bezug genommen, dass der bisherige Kreisvorsitzende der NPD den Sprung in den neuen Vorstand nicht geschafft hatte und als Gründe für seinen Rücktritt „inhaltliche Abweichungen und Weiterungen der politischen Auffassungen“ nannte. Zudem wird erwähnt, dass er zum offen neonazistischen Flügel der Partei gehöre. Beschwerdeführer ist der betroffene ehemalige Kreistagsabgeordnete der NPD. Er wirft der Redaktion die Verbreitung  falscher Tatsachenbehauptungen vor. Die Behauptung, die NPD sei ihm nicht radikal genug gewesen, sei falsch. Ferner werde behauptet, er gehöre dem offen neonazistischen Flügel der Partei an. Im gesamten Zeitraum seiner parteipolitischen Aktivitäten habe er sich stets unmissverständlich von der NS-Ideologie distanziert.

Die Redaktion:

Der Chefredakteur, die Autoren des Beitrags und die Leitung der Lokalredaktion nehmen gemeinsam zu den Vorwürfen Stellung. Der Beschwerdeführer habe sich seit dem Frühjahr 2009 politisch in der Nähe parteifreier Neonazis aufgehalten und auch in der Nähe von Neonazis innerhalb der Partei. So sei er unter anderem als Redner bei neonazistisch geprägten Demonstrationen aufgetreten, habe bei einer Veranstaltung unter dem Motto „Der nationale Sozialismus“ neben ausgewiesenen Neonazis gesprochen und habe sogar eine Neonazi-Veranstaltung selbst mit- organisiert. Erkennbare Distanzierungen habe es nicht gegeben. Stattdessen habe er sich innerhalb der Partei auf die Seite derer gestellt, die den Landesvorsitzenden kritisierten, der sich wiederum gegen den Neonazi-Flügel der Partei gestellt habe. Die Redaktion habe ihre journalistische Sorgfaltspflicht wahrgenommen. Der Autor des Beitrags habe an mehreren Wahlkampfveranstaltungen teilgenommen, Kreistagsprotokolle gesichtet sowie mit Kreistagsmitgliedern gesprochen.

Das Ergebnis:

Der Beschwerdeausschuss-Vorsitzende erkennt in der Veröffentlichung über den Parteiaustritt des Beschwerdeführers aus der NPD keinen Verstoß gegen die Ziffer 2 des  Kodex. Die Beschwerde war unbegründet. Die Zeitung kann auf eine umfangreiche Recherche verweisen, die seine politischen Aktivitäten betrifft und auf deren Basis die Redaktion zu einer Einordnung seiner Person innerhalb der rechten Szene gelangt ist. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der Überschrift („Die NPD war ihm nicht radikal genug“) um eine tatsachenbasierte Bewertung, die sich im Rahmen der Meinungsfreiheit bewegt. Belege für falsche Behauptungen kann der Beschwerdeführer nicht vorbringen.

Der Kodex:

Ziffer 2 – Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.

Autorin

Ella Wassink ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Presserat.

Mail: wassink@presserat.de
Web: Presserat.de

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