Presserat

Falscher Eindruck

von

Der Fall:

Eine Online-Zeitung berichtet darüber, dass der Fahrer einer Straßenbahn sich geweigert habe, ein Mädchen mit Kopftuch zu befördern. Ganz am Ende des Beitrages heißt es: „Update (…): Wie sich herausstellte, hatte sich die Zeugin die  Geschichte ausgedacht.“ Ein Leser wirft der Redaktion vor, die Korrektur schlecht gekennzeichnet zu haben.

Die Redaktion:

Der Chefredakteur betont, dass die Redaktion den Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Berichterstattung wiedergegeben habe. Dass es sich bis dahin nur um einen Vorwurf gehandelt habe, der überprüft werde, ergebe sich aus dem Artikel an mehreren Stellen. Weniger als 24 Stunden später habe es neue Erkenntnisse gegeben, die die Redaktion umgehend in einem weiteren Artikel aufbereitet habe. Außerdem habe sie den ursprünglichen Artikel mit einem Update versehen, wonach die Geschichte nur ausgedacht gewesen sei. Dieser Hinweis sei durch fette Schrift hervorgehoben worden. Wesentlich wichtiger als die Anmerkung im Ursprungsartikel sei aber die völlig unmissverständliche, ergänzende Berichterstattung durch den zweiten Beitrag. Inzwischen habe die Redaktion den ersten Artikel aus ihrem Angebot entfernt.

Das Ergebnis:

Der Beschwerdeausschuss erkennt aufgrund einer mangelhaften Korrektur eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 Pressekodex und spricht eine Missbilligung aus. Die Berichterstattung erweckt den Eindruck, dass der Vorfall in der Straßenbahn auf wahren Tatsachen beruhe. Erst ganz am Ende des Textes erfährt der Leser, dass dies nicht stimmt und die Geschichte erfunden worden war. Die Falschmeldung ist für den Leser trotz der Korrektur im letzten Satz nicht sofort erkennbar. Der Verweis auf einen überarbeiteten Folgeartikel reicht hier nicht aus. Auch der Leser
des Ursprungsartikels muss richtig informiert werden.

Der Kodex:

Ziffer 2 – Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.

Arno Weyand

Autor

Arno Weyand ist Referent beim Deutschen Presserat.
E-Mail: weyand@presserat.de

Veröffentlicht am

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Kommentieren

Bei den mit Sternchen (*) markierten Feldern handelt es sich um Pflichtfelder.