Ein Fall für den Presserat

Gelbe Karte

von

Der Fall:

Rote Karte, eine Schlägerei – wegen solcher Szenen brach der Schiedsrichter eine Kreisliga-Partie ab. Eine Zeitung berichtet und lässt Beteiligte erzählen. Der gegnerische Torhüter habe sich zu einer Tätlichkeit hinreißen lassen, wird ein Funktionär zitiert. Der Schiedsrichter habe ihm daraufhin die rote Karte gezeigt. Der Torhüter sei auch auf die Ersatzspieler losgegangen. Nach einem Tumult sei er dann am Boden gelegen, und der Schiedsrichter habe die Partie abgebrochen. Der Trainer des gleichen Teams sagt über ihn: „Der lief Amok.“ Er habe von Zuschauern gehört: „Jede Woche das Gleiche mit ihm.“ Der Torwart, den die Zeitung mit Namen nennt, erlitt eine Schädelprellung und musste ins Krankenhaus. Er schaltet den Presserat ein und kritisiert die identifizierende Berichterstattung. Er sei Torhüter einer Amateurmannschaft und keine Person des öffentlichen Interesses. Der Sportler sieht ein Missverhältnis: Der Vorfall habe sich nur am Rande eines Kreisliga-Spiels ereignet. Er wirft der Zeitung vor, gegen die Unschuldsvermutung verstoßen zu haben. Gegen ihn laufe kein Ermittlungsverfahren, wohl aber gegen Vertreter des gegnerischen Vereins. Er sei als Opfer von der Polizei vernommen worden.

Die Redaktion:

Der Chefredakteur wehrt sich gegen die Vorwürfe. Es sei ein zentrales Element der Sportberichterstattung, bis in die untersten Ligen Namen von Spielern zu nennen. Zum Beispiel, wenn ein Spieler ein Tor schießt, sich verletzt, einen Elfmeter hält oder einen Platzverweis erhält. Ein Spieler sei in dem Moment selbstverständlich eine Person des öffentlichen Interesses. Dass auch überregional über den Fall berichtet worden sei, habe nichts mit der Namensnennung zu tun.  Was die Unschuldsvermutung angeht, habe sich die Zeitung nichts vorzuwerfen. Aus dem Zeitungsbericht gehe nicht hervor, dass der Torhüter im rechtlichen Sinne Schuld habe. Die Redaktion habe den Verein gefragt, ob er sich zu dem Geschehen oder den gegnerischen Zitaten äußern wolle. Der Vereinsvorsitzende habe das abgelehnt.

Das Ergebnis:

Der Presserat stellt ein ethisches „Foul“ fest. Die Zeitung hat die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex verletzt. Die Zeitung zitiert einseitig, nämlich nur das gegnerische Team (Trainer und Vereinsfunktionär). Deren Angaben sind schon deshalb sorgfältig zu prüfen, weil es sich um die subjektive Sicht einer Partei handelt. Der Trainer berichtet zudem über Spekulationen Dritter. Ein solches Zitat im Zitat genügt den Anforderungen an eine sorgfältige Berichterstattung nicht. Der Torwart wird als notorisch unsportlich dargestellt. Die Zeitung hätte ihn daher vor Veröffentlichung um eine Stellungnahme bitten müssen. Es reichte nicht aus, lediglich den Vereinsvorsitzenden anzusprechen. Die Namensnennung von Sportlern, die in einem Wettbewerb antreten, ist hingegen üblich. Es handelt sich auch bei den Fußballspielen der Kreisliga um öffentliche Veranstaltungen. Der Torwart muss die identifizierende Berichterstattung hinnehmen. Auch eine Vorverurteilung sieht der Presserat nicht gegeben. Die Zeitung weise daraufhin, dass das – grundsätzlich ergebnisoffene – Ermittlungsverfahren andauere.

Der Kodex:

Ziffer 2 – Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.

Edda Eick

Autorin

Edda Kremer ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.
Telefon 030 – 36 70 07-0
E-Mail: eick@presserat.de

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