Ein Fall für den Presserat

Im Namen des Privaten

von

Der Fall:

Eine Regionalzeitung veröffentlicht das Porträt eines Mannes, der sein zweites Enkelkind erwartet. Es wird ein Foto des namentlich genannten Mannes gezeigt. Außerdem werden die Namen der Tochter, ihres Mannes und ihres Sohnes genannt. Er berichtet, sein zweites Enkelkind werde ein Junge. Die Tochter des Porträtierten beschwert sich über die Nennung ihres Namens und die Darstellung privater Details ohne ihre Einwilligung. Sie meint, die Autorin missachte den Datenschutz.

Die Redaktion:

Der Verlag hält die Beschwerde für ungerechtfertigt. Die Beschwerdeführerin sei eine Randperson in einem Kurzartikel über ihren Vater und trete nicht bildlich in Erscheinung. Die Information über ihre Schwangerschaft sei kurz vor der Niederkunft in ihrem privaten Umfeld längst bekannt. Die Namensnennung sei in dem Fall zwar überflüssig gewesen, die Redakteurin habe jedoch allen Grund gehabt anzunehmen, dass die Tochter einverstanden sei. Dennoch sei die Redakteurin darauf hingewiesen worden, künftig noch vorsichtiger bei der Veröffentlichung von persönlichen Angaben zu sein. Der Chefredakteur habe der Beschwerdeführerin einen Brief geschrieben, in dem er sein Bedauern darüber ausdrücke, dass der Artikel zu Irritationen und Ärger geführt habe.

Das Ergebnis:

Die Redaktion der Zeitung hat nach Auffassung des Beschwerdeausschusses „Redaktionsdatenschutz“ das Privatleben der Betroffenen nicht geachtet und ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt (Ziffer 8* des Kodex). Dieses beinhaltet, dass jeder grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten bestimmen kann. Hierzu gehören auch die Schwangerschaft, das Geschlecht des erwarteten Kindes und das voraussichtliche Geburtsdatum. Da die Redakteurin die werdende Mutter nicht gefragt hat, ob sie die Daten verwenden darf, hat sie ihr die Möglichkeit genommen, selbst über die Preisgabe der Informationen zu bestimmen. Die Redakteurin konnte hier nicht von einer Einwilligung der Betroffenen ausgehen, da sie die Informationen vom Vater erhielt. Die Ansicht des Verlages, es handele sich um eine Randperson des Geschehens, teilt der Beschwerdeausschuss nicht. Auch dass der voraussichtliche Geburtstermin im Bericht angegeben werden durfte, weil die Niederkunft im privaten Umfeld bekannt sei, sieht der Beschwerdeausschuss anders. Die Betroffene hätte in jedem Fall gefragt werden müssen, ob die privaten Details für das Stück hätten verwendet werden dürfen. Hier wäre mehr Sensibilität gefragt gewesen. Der Presserat spricht einen Hinweis aus.

Der Kodex:

Ziffer 8 – Persönlichkeitsrechte

Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Autorin

Ella Wassink ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Presserat.

Mail: wassink@presserat.de
Web: Presserat.de

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