Ein Fall für den Presserat

In Doppelfunktion unglaubwürdig

von

Der Fall:

Der Agrarminister eines Bundeslandes besucht die Mitgliederversammlung einer Jägerschaft. Die örtliche Zeitung berichtet online über die Veranstaltung. Der Autor des Beitrages gibt jagdfreundliche Äußerungen des Ministers wieder. Der Journalist firmiert auf der Homepage der Jägerschaft als deren „Obmann für Öffentlichkeitsarbeit“. Seine E-Mail-Adresse bei der Zeitung ist dort ebenfalls angegeben. Auf der Homepage der Zeitung wird der Journalist als „Politikredakteur/Experte für Sicherheitspolitik“ geführt. Mehrere Leser können sich die jägerfreundlichen Äußerungen des Ministers nicht erklären und fordern ihn öffentlich auf, dazu Stellung zu nehmen. Das tut der Minister und distanziert sich von den kritisierten Zitaten. Die Leser legen das Schreiben des Ministers dem Presserat vor und reichen Beschwerde wegen eines Verstoßes gegen Ziffer 6 (Trennung von Tätigkeiten)des Pressekodex ein. Sie kritisieren, dass der Verfasser des Beitrags neben seiner Funktion als Redakteur des Ressorts Politik bei der Zeitung zugleich als Obmann für Öffentlichkeitsarbeit der Jägerschaft fungiert. Dies hätte den Lesern transparent gemacht werden müssen.

Die Redaktion:

Der Chefredakteur der Zeitung berichtet in seiner Stellungnahme, die „Jägerfreundlichkeit“ des Ministers sei auch in anderen Medien Thema gewesen. Er sehe demnach keinen Grund, am Wahrheitsgehalt des kritisierten Berichts zu zweifeln. Aus der Tatsache, dass der Autor über eine Veranstaltung der Jägerschaft berichtet habe, obwohl er nebenberuflich als deren Obmann für Öffentlichkeitsarbeit fungiere, habe die Redaktion den Schluss gezogen, künftige Veranstaltungen der Jäger mit einem anderen Kollegen zu besetzen.

Das Ergebnis:

Der Presserat sieht in der beanstandeten Berichterstattung einen Verstoß gegen Ziffer 6 des Pressekodex. Die Funktion des Redakteurs als Obmann für Öffentlichkeitsarbeit der Jägerschaft einerseits und als über diesen Verein berichtender Journalist andererseits kann die Glaubwürdigkeit der Presse infrage stellen. Die Redaktion hat, um diesen Glaubwürdigkeitsverlust zu vermeiden, für die Zukunft festgelegt, dass über die Veranstaltungen der Jägerschaft künftig ein anderer Redakteur berichtet. Diese Reaktion der Zeitung veranlasst den Presserat dazu, die Beschwerde zwar als begründet zu beurteilen, jedoch auf eine Sanktion zu verzichten.

Der Kodex:

Ziffer 6  –  Trennung von Tätigkeiten

Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse infrage stellen könnten.

Edda Eick

Autorin

Edda Eick ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.
Telefon 030 – 36 70 07-0
E-Mail: eick@presserat.de

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