Ein Fall für den Presserat

Ohne Leine online

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Eine Frau lässt bei einem Spaziergang ihre Hunde los. Ein Redakteur beobachtet es und berichtet darüber. Die Frau beschwert sich beim Presserat.

Der Fall:

„Die Frau mit den Hunden: Leinen los“ titelt die Online-Ausgabe einer Lokalzeitung und berichtet über eine Frau beim Gassigehen. Eine Passage aus dem Bericht lautet: „Eine Frau führt auf einem Feldweg ihre drei Hunde aus. Wild und frei toben und tollen sich die drei Vierbeiner hier aus. Ganz losgelöst die Leinen los.“ Den Bericht bebildert die Zeitung mit einem Foto, auf dem die Frau mit ihren Hunden zu sehen ist. Die abgebildete Frau beschwert sich beim Presserat, weil sie sich diffamiert fühlt. Sie habe sich weder mit der Veröffentlichung des Artikels noch des Bildes einverstanden erklärt. Sie will, dass sich der verantwortliche Redakteur entschuldigt und den Artikel samt Bild aus dem Online-Angebot entfernt.

Die Redaktion:

Der Redaktionsleiter erklärt, es gehe nicht um die Person, sondern um den authentisch dargestellten Sachverhalt. Die Presse habe Fakten zu berichten und keine Fakes und Fantasien. Der Autor sei mit seinen Inlinern an der Frau vorbeigefahren, die zu diesem Zeitpunkt nicht die Pflicht zum Anleinen ihrer Hunde beachtet habe. Der Autor habe vermutet, dass möglicherweise auch andere Hundebesitzer nicht vom Leinenzwang wüssten. Deshalb habe er den Artikel geschrieben und auf die bestehende gesetzliche Regelung aufmerksam gemacht. Um das Interesse an dem Vorgang zu erhöhen, habe er dem Artikel ein Foto der Frau und ihrer Hunde beigefügt. Die Frau sei aus seiner Sicht nicht identifizierbar gewesen. Ihm sei klar gewesen, dass jemand, der eine Ordnungswidrigkeit begehe, nicht möchte, dass das bekannt werde. In Abwägung mit dem öffentlichen Interesse überwiege jedoch das Anliegen, die Bevölkerung auf den Leinenzwang hinzuweisen. Das Foto sei aus dem Online-Angebot entfernt worden, nachdem sich herausgestellt habe, dass die Hundebesitzerin trotz aller Maßnahmen doch erkennbar sei.

Das Ergebnis:

Die Zeitung hat Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsschutz) verletzt. Der Presserat spricht einen Hinweis aus. Die Hundebesitzerin ist durch die Informationen in Bild und Text zumindest für das soziale Umfeld identifizierbar. Für eine solche Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen. Das ist hier nicht der Fall. Mit der identifizierenden Berichterstattung, die eine Ordnungswidrigkeit dokumentiert, wird die Hundebesitzerin unverhältnismäßig an den Pranger gestellt. Demgegenüber wird der journalistische Anlass der Berichterstattung, der Hinweis auf einen bestehenden Leinenzwang, den Lesern nur nachrangig vermittelt. Den Nutzern der Online-Ausgabe wird nicht ausreichend deutlich, dass es um ein Fehlverhalten vieler Hundebesitzer gehen soll. Dieser Umstand verstärkt die unangemessene Prangerwirkung auf die Hundebesitzerin.

Der Kodex:

Ziffer 8 – Schutz der Persönlichkeit

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein. Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Edda Eick

Autorin

Edda Eick ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.
Telefon 030 – 36 70 07-0
E-Mail: eick@presserat.de

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