Ein Fall für den Presserat

Über Selbstmord berichten

von

Der Fall:

Eine Regionalzeitung veröffentlicht online einen Beitrag über den Suizid dreier Mädchen in einem Waldstück. Es wird berichtet, dass Polizisten die leblosen Körper der drei jungen Frauen in einem Zelt gefunden hatten. Betreuer eines Wohnheimes für psychisch kranke Menschen hatten den Abschiedsbrief eines der Mädchen entdeckt und die Suche ausgelöst. Über die Entdeckung der drei jungen Frauen heißt es: „Die drei hatten eine grüne Plane über das Zelt gezogen und alle Öffnungen mit Isolierband verklebt. Im Zeltinneren fanden die Polizisten drei abgebrannte Einweggrills, außerdem die Abschiedsbriefe der beiden Mädchen aus dem Emsland und aus Bayern.“ Weiterhin wird berichtet: „Kohlenmonoxid aus dem Grillkohlefeuer ließ die drei jungen Frauen in ihrem Zelt ersticken.“ Der Beschwerdeführer moniert, dass die Darstellung der Selbstmordmethode zu detailliert sei und zu Nachahmungen führen könne. Es hätte ausgereicht zu schreiben, dass die drei Mädchen im Wald Selbstmord begangen hätten.

Die Redaktion:

Die Rechtsabteilung des Verlages ist der Auffassung, dass keinesfalls in zu detaillierter Art und Weise über den Selbstmord berichtet worden sei. In der Pressekonferenz der Polizei, die gemeinsam mit einer Staatsanwältin abgehalten worden sei, sei weitaus ausführlicher und detaillierter über die Einzelheiten der Selbsttötung der Frauen berichtet worden. Für den Leser sei die Berichterstattung nicht verständlich, wenn lediglich mitgeteilt werde, dass die Betroffenen einem Erstickungstod zum Opfer gefallen seien. Die gebotene Zurückhaltung im Fall der Berichterstattung bei Selbsttötung sei damit aus Sicht der Redaktion gewahrt, zumal keinerlei Einzelheiten genannt worden seien. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, es hätte in der Berichterstattung ausgereicht, lediglich mitzuteilen, dass die drei Betroffenen im Wald Selbstmord begangen hätten, unterstreiche und verdeutliche die gewählte Selbstmordmethode das offenbar planvolle Vorgehen der Betroffenen.

Das Ergebnis:

Die Berichterstattung über Suizide stellt Redaktionen stets vor das Problem, welche Einzelheiten man, sofern man überhaupt berichtet, darstellen kann. Dabei ist anerkannte Richtschnur die Richtlinie 8.5 Pressekodex. Sie gebietet eine zurückhaltende Berichterstattung. Das gilt besonders für die Nennung von Namen und die Schilderung der Begleitumstände. Der Beschwerdeausschuss erkennt im vorliegenden Fall in der Darstellung der Suizidmethode einen Verstoß gegen die Richtlinie. Dass die drei jungen Frauen sich in einem Zelt mit einem Einweggrill vergiftet haben, ist aus Sicht der Mitglieder ein Detail zur Suizidmethode, das nicht hätte erwähnt werden sollen. Es gilt der durch Erfahrung gestützte Grundsatz: Je weniger Details zur Suizidmethode bekannt werden, desto weniger trägt die Berichterstattung bei gefährdeten Personen zu Nachahmungstaten bei. Sofern es Begleitumstände bei einem Suizid gibt, die eine genaue Beschreibung des Tathergangs notwendig machen, können diese unter Umständen genannt werden. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Der Presserat spricht einen Hinweis aus.

Der Kodex:

Richtlinie 8.5 – Selbsttötung

Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer Begleitumstände. Eine Ausnahme ist beispielsweise dann zu rechtfertigen, wenn es sich um einen Vorfall der Zeitgeschichte von öffentlichem Interesse handelt.

Autorin

Ella Wassink ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Presserat.

Mail: wassink@presserat.de
Web: Presserat.de

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