Presserecht

Informieren, dann fotografieren

von

aus drehscheibe 09/18

Seit dem 25. Mai 2018 gilt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Ziel der Verordnung ist es, natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu schützen. Zugleich bezweckt die DSGVO den Schutz des „freien Verkehrs“ dieser Daten. Sie gilt in allen EU-Mitgliedstaaten. Gemäß Artikel 85 und 86 sind die Staaten jedoch berechtigt, den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Einklang zu bringen. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser sogenannten Öffnungsklausel bislang keinen Gebrauch gemacht. Doch inwiefern spielt  die DSGVO eine Rolle für die Bildberichterstattung über Personen?

Die Verordnung schützt personenbezogene Daten. Digitale Fotografien, auf denen Personen zu sehen sind, enthalten solche Daten. Denn „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen“, sind  personenbezogen. Die Information, wer sich zu welchem Zeitpunkt wo befunden hat, unterfällt daher den Regelungen der DSGVO. Entscheidend ist nicht, ob die Person vom Verarbeiter der Daten, also dem Fotografen oder dem Verlag, tatsächlich identifiziert werden kann. Es reicht nach der DSGVO aus, dass es theoretisch möglich ist, eine Person zu identifizieren, etwa durch eine Gesichtserkennungssoftware.

Um personenbezogene Daten zu schützen, legt die DSGVO fest, dass solche Daten nur dann verarbeitet werden dürfen, wenn die betroffene Person in die Verarbeitung eingewilligt hat oder Rechtfertigungsgründe für die Verarbeitung einschlägig sind. Nach dem Verständnis der Verordnung kann überdies nur derjenige wirksam einwilligen, der zuvor über Art, Umfang und Zweck der Verarbeitung seiner Daten ausreichend informiert worden ist. Das hat zur Folge, dass Personen, die fotografiert werden, erst darüber zu informieren sind, wie, wo und zu welchem Zweck die in dem Foto enthaltenen  Informationen verarbeitet werden. Die Beweislast, dass der Betroffene informiert wurde, liegt beim Verarbeiter der Daten, also etwa dem Verlag, in dessen Auftrag ein Fotograf unterwegs ist. Zusätzlich dazu muss die fotografi erte Person gemäß Kunst- und Urhebergesetz (KUG) darin einwilligen, bevor ein Foto von ihr veröffentlicht werden darf. Dem KUG zufolge ist  die Einwilligung nur dann entbehrlich, wenn mit dem Foto Zeitgeschehen dokumentiert wird oder wenn die gezeigte Person  „Beiwerk“ einer Landschaft oder Örtlichkeit ist oder sich in einer Versammlung befindet.

Bereits die Klärung der Frage, ob eine Einwilligung nach KUG entbehrlich ist, bereitet in der Praxis regelmäßig  Schwierigkeiten, ist immer eine Entscheidung des Einzelfalls, und es existiert eine ausdifferenzierte Rechtsprechung dazu. Wenn daneben die Informationspflichten und Einwilligungserfordernisse der DSGVO träten, bedeutete dies faktisch das Ende der Bildberichterstattung mit beziehungsweise über Personen.

Ganz so schlimm ist es aber glücklicherweise nicht. Die DSGVO sieht nämlich Ausnahmen von der Informationspflicht vor, wenn die Erteilung einer Information nicht möglich ist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde (Artikel 14 Absatz 5 lit. b). Das dürfte bei Aufnahmen vieler Personen, die der Fotograf zudem rein faktisch nicht identifizieren kann, der Fall sein. Der Fotografierte muss nach der DSGVO außerdem noch in die Verarbeitung seiner Daten einwilligen. Verzichtbar ist die Einwilligung nur in Fällen, in denen die Verarbeitung der Daten zur Wahrung der Interessen des Verarbeiters der Daten erforderlich ist und die Interessen der betroffenen Person das Interesse des Fotografen nicht  überwiegen. Im journalistischen Bereich wird man annehmen können, dass das Interesse des Fotografen in der Regel überwiegt. In Stein gemeißelt ist dieser Grundsatz aber nicht. Und Kinder sind nach der Verordnung besonders schutzbedürftig, was im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen ist.

Die Rechtslage ist also nicht unbedingt klarer geworden. Daher wäre zu wünschen, dass der Gesetzgeber wenigstens noch eine ausdrückliche Regelung im Rahmen der Öffnungsklausel gemäß Artikel 85 DSGVO trifft.

Oliver Stegmann

Autor

Oliver Stegmann ist als Rechtsanwalt in Hamburg zugelassen und Partner der Kanzlei Esche Schümann Commichau. Zuvor hat er unter anderem als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet und hat zu einem presserechtlichen Thema promoviert.
Telefon: 040 – 36 80 51 40
E-mail: o.stegmann@esche.de
Internet: www.esche.de

Veröffentlicht am

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Kommentieren

Bei den mit Sternchen (*) markierten Feldern handelt es sich um Pflichtfelder.