Storytelling April 2014 Making-of

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Ich und die Skrupel

Ein Gespräch mit Dietmar Telser über seinen Text „Wie ich einmal Deutscher wurde“.

Herr Telser, Ihr Text trägt den aparten Titel „Wie ich einmal Deutscher wurde“. Worauf spielen Sie an?



Auf die märchenhafte Komponente, die das „Abenteuer“ verspricht. Die Überschrift sollte aber auch den Ton der Geschichte vorgeben und mit der lakonischen Formulierung den aufgeladenen Themen Nationalbewusstsein, Identität und Deutschsein die Bedeutungsschwere nehmen.

Sie selbst sind der Märchenheld, der sein Ziel erreicht – Sie sind Deutscher geworden. Was ist jetzt anders in Ihrem Leben?



Ich muss mich noch daran gewöhnen, auf Reisen zu sagen, dass ich aus Deutschland komme. „Ich bin Deutscher“ kommt mir noch schwer über die Lippen. Aber ich durfte bei der Bundestagswahl wählen, was natürlich ein sehr gutes Gefühl war.

War Ihnen von vornherein klar, dass Sie als „Ich“ auftreten würden?



Ich schreibe selten aus dieser Perspektive. Das Ich in Texten gefällt mir eigentlich auch nicht besonders. Ich verwende es nur dann, wenn sich die Geschichte nicht anders erzählen lässt. Eine andere Perspektive hätte hier aber wohl nicht funktioniert.

Herr Mehlem ist eine zweite zentrale Figur für Ihren Text. Haben Sie ihn gecastet oder ist er Ihnen zugefallen?



Ich hatte einen ganz anderen Menschen als Einbürgerungsbeamten erwartet. Zunächst dachte ich deshalb auch gar nicht daran, ihm so viel Raum zu geben. Erst als ich Freunden und Kollegen von der Einbürgerung erzählt habe und merkte, wie sehr sie sich für Herrn Mehlem interessierten, entschied ich mich, ihn in den Mittelpunkt zu rücken. Jemand, der so seinen Beruf lebt, ist ja auch ein Glücksfall für die Geschichte.

Und für Koblenz...



Ja, ich vermutete zunächst auch, dass er sich vielleicht nur mir gegenüber so engagiert zeigte. Schließlich spreche ich deutsch, habe einen deutschen Namen, interessierte mich für die Hintergründe. Deshalb habe ich öfters vor seinem Büro gewartet und beobachtet, wie er mit anderen Antragsstellern umgeht. Auf der Einbürgerungsfeier habe ich mit Leuten gesprochen, die mit ihm zu tun hatten. Sie haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Es ist mir klar, dass die Koblenzer Einbürgerungsstelle leider nicht repräsentativ ist.

Ihre Dramaturgie entspricht ziemlich genau dem Muster der Heldenreise. Haben Sie sich bewusst daran orientiert?



Nein, das war nicht gewollt oder bewusst konstruiert. Das Muster liegt ja vielen Geschichten und Erzählungen zugrunde, und insofern ist es als Konstruktionsvorlage auch naheliegend. Aber ich habe den Text nicht bewusst nach diesem Muster erzählt.

Ein Held braucht Gegenspieler. Ich habe zwei feindliche Gegenüber identifiziert: Die Bürokratie und die Position der CDU zur doppelten Staatsbürgerschaft.


Die deutsche Bürokratie ist eine Art Gegenspieler, die Position der Union nicht direkt. Sie will ja Doppelstaatsbürgerschaften wie in meinem Fall nicht verhindern. Ich gebe nur meine Meinung über die Diskussion zur Mehrstaatigkeit wieder. Ich finde es nicht nachvollziehbar, weshalb Deutsch-Türken verwehrt wird, was etwa Deutsch-Italienern erlaubt ist. Ein Feind ist vielmehr der eigene Zweifel. Die Frage also, ob ich diese Einbürgerung wirklich zu Ende gehen will. Es geht ja um viel mehr als nur um zwei Reisepässe. In den Szenen rund um den Einbürgerungstest kommt dies auch zum Ausdruck. Dazu gehört eben auch das Auseinandersetzen mit der deutschen Vergangenheit, das ich sehr wichtig finde.

Deshalb schließt Ihr Text mit „Eil Itler“?



Ja, ich glaube, dass „deutsch werden“ auch heißt, sich mit dem dunkelsten Kapitel der  deutschen Geschichte zu beschäftigen. Deswegen kommen immer wieder Anspielungen an vielen Stellen des Textes vor – etwa auch im Einstieg. Und ich wollte diesen Gedanken am Ende auch wieder aufnehmen.

Sie bereiten sich akribisch auf den Test vor, verheimlichen das Ihren Freunden, und schreiben genau das nachher in der Zeitung. Ist das Koketterie?


Vielleicht hätte ich das nicht verraten, wenn ich 15 Fehler gemacht hätte. Aber im Nachhinein kann ich darüber lachen. Ich denke, wenn ich selbst darüber lächeln kann, dann finden es sicher auch Leser lustig. Es ist ja auch eine menschliche Reaktion, vielleicht würden es andere auch so machen.

Ich finde einen Subtext in Ihrer Geschichte, nämlich die Frage: Wenn jemand wie Sie schon solche Manschetten hat vor dieser Einbürgerungsprozedur – wie mag das Menschen gehen, die wirklich als Fremde kommen?



Das frag ich mich eben auch. Für mich wäre ein Scheitern kein Drama gewesen. Für viele hängt von einer erfolgreichen Einbürgerung aber extrem viel ab. In der Szene beim Einbürgerungstest kommt dieser Teilnehmer vor, der offensichtlich sehr angespannt ist. In dieser Situation habe ich es übrigens versäumt, mit dem Betroffenen zu sprechen, nach dem Test war er gleich verschwunden. Es ärgert mich heute, dass ich gezögert habe, er hätte eine wichtige Perspektive geboten, die ich so nur andeuten konnte. Ich habe lange darüber nachgedacht, bis hin zum schlechten Gewissen, ob das Verhältnis so richtig ist: Ich und der untypische Einbürgerungsbeamte – beide haben wir sehr viel Raum im Text. Aber es ging eben um meine Perspektive.

Sie schreiben von Fußball, vom Schwedenurlaub, von einem Rassismusvorfall – Sie hätten sicher noch mehr zu erzählen gehabt.


Das Auswählen war tatsächlich eine Qual. Sich von Szenen und Bildern trennen, die man sogar schon ausformuliert hat, ist nie einfach. Die Einbürgerungsfeier fehlt komplett, auch Gespräche mit anderen Eingebürgerten. Es gibt eine gestrichene Szene, die ein Schild in der Einbürgerungsbehörde mit dem Wort „Ausländerpolizei“ beschreibt. Ich wusste nicht, dass es diesen Begriff noch gibt. Ich bin am Ende eigens noch einmal hingefahren, habe das Schild beschrieben und recherchiert, weil mich der Begriff faszinierte und gleichzeitig abstieß. Trotzdem kommt es nicht vor.

Warum haben Sie es rausgelassen?



Der innere Widerstand begegnete mir ja zu Beginn in der Szene mit dem zerfledderten Aktenstapeln, und das wollte ich nicht doppeln, da wäre die Ausländerpolizei zu viel gewesen.

Die Einbürgerungsfeier, von der Sie sprechen, sehen die Leser im Bild, im Text ist keine Rede davon.



Ich hatte überlegt, den Text mit der Einbürgerungsfeier zu beginnen, und dann in die Rückblende zu gehen, aber ich hab mich dann doch für einen Einstieg entschieden, den ich  recht früh schon aufgeschrieben hatte.

Wie ging es Ihnen beim erneuten Lesen Ihres Textes? Würden Sie heute etwas anders machen?



Ich würde die Geschichte heute vielleicht ganz anders schreiben. Aber das geht mir eigentlich bei fast jedem Text so, wenn ich ihn später lese. Auf die Einbürgerungsfeier zu verzichten, finde ich richtig, da würde Spannung verloren gehen. Aber jetzt hat der Text zwei gefühlte Einstiege, was mich im Nachhinein nicht glücklich macht. Der eine erzählt, was die Welt über Deutschland denkt, und der zweite, wie unkompliziert es scheinbar ist, einen Einbürgerungsantrag zu stellen. Das sind im Nachhinein zwei einführende Gedanken, zwischen denen ich mich wohl nicht entscheiden konnte. Wahrscheinlich hätte ich einen dritten, ganz anderen schreiben müssen. Die Chronologie leuchtet mir immer noch ein. Vielleicht würde ich den erklärenden Abschnitt etwas kürzer halten.

Wie haben die Leser reagiert?



Ich hatte eigentlich negative Reaktionen auf meine Antwort zur „Religionsfrage“ im Einbürgerungstest erwartet. Ich bin mir bewusst, dass viele Leser diese Frage anders beantworten würden. Meine Sorge war, dass mir Leute Subjektivität vorwerfen könnten. Haben sie aber nicht! Vielleicht weil der Text gleich zu Beginn klar machte, dass er keinen objektiven Anspruch hat.


Das Gespräch führte Marie Lampert.

 

Das Interview führte Marie Lampert.

Kommentare

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President Giorgio Napolitano, who appointed Mr Letta as prime minister, said earlier a decision on the fate of the government was up to the PD.
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