Interview

„Wir schaffen Räume für Beteiligung“

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In anonymen 1:1-Chats können sich Gesprächspartner austauschen. (Symbolfoto: Canva/fauxels)
In anonymen 1:1-Chats können sich Gesprächspartner austauschen. (Symbolfoto: Canva/fauxels)

Herr Kirschstein, Sie haben eine Plattform ins Leben gerufen, auf der Menschen anonym miteinander ins Gespräch kommen und zu verschiedenen politischen wie gesellschaftlichen Themen miteinander diskutieren können. Welche Idee steckt dahinter?

2017 hatten unsere Gründer die Idee, mittels einer App das Positive des Digitalen zurück in den politischen Diskurs zu bringen. Die Anwendung hieß damals wie heute „Diskutier Mit Mir“ und ist eine Chat-App, die einen geschützten Chat zwischen zwei Menschen ermöglicht. Das Besondere daran ist, dass der Algorithmus nur Menschen konträrer Meinung zusammenbringt. Vor dem Chatbeitritt werden die Teilnehmenden nämlich zu ihren politischen Standpunkten befragt. Die Antworten füttern dann den Algorithmus. Auf dieser Idee gründete sich der Verein. Unser Verein trägt den Namen dieser ersten Anwendung, wir haben uns mittlerweile aber weiterentwickelt und die App als „1:1-Chat“ in unser Formatportfolio für politische Diskurse, Veranstaltungen und Gesprächsreihen integriert.

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Was macht Ihr Verein heute?

Inzwischen kann man uns als mehrdimensionales und programmatisches Demokratie-Start-up beschreiben. Wir haben unsere Partnerstrukturen ausgebaut und sind inhaltlich gewachsen. Unsere Ziele sind aber dieselben geblieben: Wir wollen die Menschen zurück an den Tisch holen, die sich nicht repräsentiert fühlen und das Vertrauen in die Demokratie verloren haben. Und wir wollen dort Dialoge herstellen, wo Debatten konfrontativ abzugleiten drohen. Dabei haben wir auch erkannt, dass es dazu sowohl digitale als auch analoge Dialogangebote braucht. So ist das Digitale zwar weiterhin Teil unserer DNA, aber glaubwürdige Diskursformate müssen vor Ort und in den Sozialräumen stattfinden, um direkter Akteure zu vernetzen. Digitale Tools wie unsere Diskurs- und Veranstaltungs-Plattform „Forum X“ können das Ganze begleiten, wären aber allein nicht ausreichend.

Können Lokaljournalistinnen und Lokaljournalisten von „Diskutier Mit mir“ etwa im Umgang mit Debatten und Streitkultur lernen?

Ich glaube nicht, dass die Journalistinnen und Journalisten von uns etwas lernen müssen. Sie sind es, die sich viel besser in ihren Umfeldern auskennen. Wir sind eher Programmanbieter, Plattform und vor allem Modellprojekt. Als solches eröffnen wir Diskurse und schaffen Räume für Beteiligung. Allerdings hat sich der politische Raum in den letzten Jahren stark in Richtung Selbstgespräch entwickelt. Es gibt kaum noch Schnittstellen und Kontaktpunkte. Auch das Zeitungssterben hat die Leerstellen anwachsen lassen. Und da helfen einzelne Veranstaltungen nicht, die Lücken zu schließen, sondern es braucht einen kontinuierlichen Aufbauprozess, an dem Kommunen, Politikerinnen und -politiker und im Besonderen Lokaljournalistinnen und -journalisten mitwirken sollten. Gemeinsam können gemeinnütziger Journalismus und Lokaljournalismus das Nahbare und vor Ort Erlebbare einladender und dialogischer gestalten. Dabei sollten technologische Instrumente nicht als Krise für die Demokratie, sondern als Chance für Partizipation verstanden werden.

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Sollten Lokalredaktionen also verstärkt auf die Entwicklung von digitalen Plattformen und Tools setzen?

Nicht jeder muss gleich ein eigenes Werkzeug kreieren, auch Kollaborationen können Lösungen sein. Wir entwickeln derzeit die nächste Version unserer Plattform FORUM X, die öffentlich gefördert wird und in der Kernfunktionalität an „Clubhouse“ erinnert. Sie richtet sich auch und im Besonderen an Journalistinnen und Journalisten, damit diese nicht länger auf zum Beispiel von META gesteuerte Instagram-Accounts zurückgreifen müssen. Die Plattform kann schon jetzt in der Beta-Phase getestet werden und wird im September 2023 als fertige Version online gehen. Alle Journalistinnen und Journalisten können sich dann einen Zugang erstellen, die Oberfläche individuell anpassen, Label und Logo verändern und die Plattform etwa als Forum oder für die Ausrichtung von Veranstaltungen und Debatten nutzen.

Joachim Kirschstein

ist Geschäftsführer des Vereins „Diskutier mit mir“.

E-Mail team@diskutiermitmir.de

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