Selbstversuch

Wenn ein Journalist kandidiert

von

Heiko Müller im Wahlkampf
Heiko Müller im Wahlkampf

Wie ist es eigentlich, für das Amt des Oberbürgermeisters zu kandidieren? Heiko Müller von der Ostfriesen-Zeitung wollte es genau wissen und begab sich selbst ins Rennen um die OB-Wahl in Emden am 8. September.

Herr Müller, wie kamen Sie auf die Idee, sich für die OB-Wahl zu bewerben?

Die Serie „Müller kommt!“ der Emder Redaktion der Ostfriesen-Zeitung läuft seit 2008 mehr oder wenig regelmäßig und ist stark auf meine Person zugeschnitten. Es sind Selbstversuche und „lokale Abenteuer“, in die ich mich wage. Erzählt werden sie in der Ich-Perspektive mit einem Mix aus Unterhaltung, Information und Selbstironie. Für die Reihe, die längst zu einem Art Markenzeichen geworden ist, bin ich schon in viele Rollen geschlüpft.

Die Wahl des neuen Oberbürgermeisters am 8. September ist in Emden seit Wochen das Stadtgespräch Nummer eins, weil sich potenzielle Kandidatinnen um dieses Amt förmlich die Klinke in die Hand geben. Stand jetzt wollen sich sieben Personen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund um das Amt bewerben, von der Bardame, über den Abflussreiniger bis hin zum Döner-Mann.

Die Redaktion hat sich deshalb gefragt: Wie leicht ist es eigentlich, für das OB-Amt zu kandidieren? Wie ist die Resonanz, wenn man seinen Hut in den Ring wirft? Und was löst eine solche Absicht aus?

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Wie lief die Geschichte ab?

Die Vorbereitung der Geschichte war aufwendig, ließ sich aber innerhalb von gut einer Woche machen. Ich habe mir beim Wahlamt offiziell die Unterlagen und das echte Formblatt für die 210  Unterstützungunterschriften abgeholt, die ich als parteiloser Einzelbewerber benötigt hätte. Im selben Zuge habe ich einen Info-Stand für einen Sonnabendvormittag beantragt und anstandslos genehmigt bekommen. Die Marketing-Abteilung und die Mediengestalter unseres Verlages gestalteten Plakate, Kugelschreiber, Aufgkleber, Buttons, besorgten Pavillon und Stehtische.

Wir wollten nicht in den Wahlkampf eingreifen. Der Slogan „Müller kommt – Einer geht noch!“ war bewusst augenzwinkernd und in Anspielung auf den Titel der OZ-Serie gewählt worden. Das hat viele Passanten am Stand schon auf die richtige Spur gebracht. Andere zweifelten, ob ich nun tatsächlich kandidiere oder nicht, einige glaubten fest daran. Die erstaunlichste Erkenntnis: Es bedurfte kaum Überzeugungskraft noch politische Inhalte, um Unterstützer zu gewinnen. Zugute kam mir dabei ein relativ hoher Bekanntsheitsgrad in der Stadt, der sich aus fast 40-jähriger Tätigkeit als Lokalredakteur in Emden und aus anderen Funktion ergibt.

Was haben Sie journalistisch daraus gemacht?

Journalistisch habe ich schlicht erzählt, wie es mir der Rolle des OB-Kandidaten erging. Zugleich habe ich versucht, deutlich zu machen, dass mein Respekt vor dieser Aufgabe und der Verantwortung groß ist.

Wie kam die Aktion bei den Lesern an?

Die Resonanz auf die Aktion war groß. Mein Wahlkampf-Auftritt war tagelang Stadtgespräch. Aus der Leserschaft gab es fast ausschließlich positive Rückmeldungen. Viele ermunterten mich sogar, doch tatsächlich zu kandidieren, weil ich aus ihrer Sicht der geeignete Mann sei. In Politik und Verwaltung stieß die Aktion hingegen eher auf Skepsis und Unverständnis. Man befürchtete, dass ich mit diesem „Scherz“ das Amt des Oberbürgermeisters beschädige. Einige Kritiker behaupteten gar, meine Aktion habe die Stadt tief gespalten.

Interview: Stefan Wirner

Das Interview erschien zuerst in der Ausgabe 9/19 der drehscheibe.

Heiko Müller

Heiko Müller

ist Redakteur der Zeitungsgruppe Ostfriesland GmbH.

E-Mail.: h.mueller@zgo.de

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Kommentare

Kommentar von Klasen |

Es handelt sich um den Klappweg der in einen schlechten Zustand ist .Ich hatte Herr Müller gebeten einen Bericht über diese Straße zu schreiben aber bis heute kein Bericht. Wenn kein Interesse besteht würde ich mich an einen anderen Reporter wenden. Danke!!

Kommentar von Hans-Gerd Wendt |

"...von der Bardame, über den Abflussreiniger bis hin zum Döner-Mann..."
Wusste gar nicht, dass der Kandidat der SPD Abflussreiniger ist! Aber dann wird mir zumindest klar, was er meint, wenn er "arbeitet". Doch bis die Sozialdemokratie wirklich wieder sauber ist, hat er noch so einige Kanäle zu drainieren...

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