Interview

„Diese Technik hat keine Zukunft"

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„Vorarlberg gegen Atom“ – Nach der Atom-Katastrophe in Fukushima wollen die Vorarlberger Nachrichten ein Zeichen setzen. Mit einer Unterschriften-Aktion macht sich die österreichische Regionalzeitung für einen Ausstieg Europas aus der Atomkraft und eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energie stark. Die drehscheibe sprach mit Chefredakteur Christian Ortner über die Aktion und darüber, ob eine Zeitung Politik machen sollte.

Herr Ortner, warum initiieren die Vorarlberger Nachrichten (VN) eine Aktion gegen die Atomkraft, obwohl es in Österreich gar keine Atomkraftwerke gibt?

Das hat mit der Geschichte der VN zu tun. Bei der Volksabstimmung 1978, als sich die österreichische Bevölkerung mit einer äußerst knappen Mehrheit gegen die Inbetriebnahme des AKWs Zwentendorf aussprach, stimmten in Vorarlberg über 80 Prozent der Menschen dagegen. Obwohl die Vorarlberger in Österreich nur drei bis vier Prozent ausmachen, waren wir damit das Zünglein an der Waage, das zur Entscheidung gegen die Atomkraft geführt hat. Die VN hat viel zu diesem Abstimmungsergebnis beigetragen. Sie hat damals stark kampagnisiert und sich gegen die Atomkraft stark gemacht.

Und an diese Tradition knüpfen Sie jetzt nach der Atom-Katastrophe in Fukushima wieder an?

Die VN hat sich seither immer engagiert, wenn es um dieses Thema ging. Wir haben auch den Widerstand gegen Wackersdorf aktiv begleitet. Schließlich sind wir auch auf Schweizer Seite von Atomkraftwerken umzingelt und zudem der Ansicht, dass diese Technik keine Zukunft hat. Von der Frage der Endlagerung einmal ganz abgesehen.

Aktuell sammeln Sie Unterschriften Ihrer Leser für den Ausstieg aus der Atomkraft.

Die Aktion läuft jetzt eine gute Woche lang und wir haben bereits 40.000 Unterschriften zusammen – und das bei 300.000 bis 400.000 Einwohnern in Vorarlberg. Ich rechne aber damit, dass in den nächsten Wochen noch einige 10.000 Unterschriften hinzukommen. Wir stellen im Internet und in der Zeitung Formulare mit drei Forderungen bereit, welche die Leser dann unterschreiben können. Neben dem Ausstieg Europas aus der Atomkraft und der sofortigen Abschaltung wird auch die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien gefordert. Es geht also nicht nur darum, gegen etwas zu sein, sondern auch um Perspektiven. Und die gibt es bereits: In Vorarlberg haben sich vor ein paar Monaten alle Parteien darauf verständigt, energieautark zu werden und dabei vor allem auf Wasserkraft zu setzen.

Was haben Sie mit den Unterschriften vor?

Die wollen wir Anfang Mai in Wien, Bern und Brüssel an die Politik übergeben – als Zeichen eines gallischen Dorfs im Kampf gegen die Atomkraft in Europa.

Finden Sie es nicht problematisch, sich als unabhängige Tageszeitung politisch zu engagieren?

Es ist selbstverständlich ein sehr sensibles Thema, und man muss aufpassen, wie weit man sich hinauslehnt. Schließlich machen wir keine Politik und wollen es auch nicht. Früher war das anders, da haben wir sehr stark auf Kampagnen gesetzt. Heutzutage sehen wir uns bei solchen Aktionen als Plattform für unsere Leser. Wir stellen uns dabei nicht in den Vordergrund. Auf den Formularen finden Sie kein Logo unserer Zeitung. Es geht vielmehr darum, Leute zu unterstützen, die in diesem Land etwas bewegen wollen, indem wir mit unserer Zeitung eine Plattform zur Verfügung stellen und als Multiplikator fungieren.

Interview: Jan Steeger

Christian Ortner

... ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.

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