Interview

„Man darf sich nicht beirren lassen"

von

Frau Wolff, wie sind Sie darauf gestoßen, dass es bei der Handwerkskammer in Trier Unregelmäßigkeiten wie gefälschte Abrechnungen und sogar Subventionsbetrug gibt?

Begonnen haben die Recherchen durch Hinweise von Bekannten, die mit der Handwerkskammer in Verbindung stehen. Ein Kritikpunkt war die schlechte Qualität der Weiterbildungskurse. Ich habe diese Gerüchte aufgegriffen und geprüft. Angefangen habe ich mit einer Befragung der Teilnehmer der Kurse. Das hat eine ganze Flut von Beschwerden etwa über unfähige Dozenten oder ausgefallene Prüfungen ausgelöst. Das hat die Leitung der Handwerkskammer mitbekommen, die daraufhin – noch vor Beginn der Berichterstattung – versuchte, die Recherchen zu beeinflussen.  

Wie hat sie das versucht?

Der Hauptgeschäftsführer hat mich im persönlichen Gespräch gewarnt, dass die Region wirtschaftlich stark beschädigt werden könne, wenn Interna der Handwerkskammer mit mehr als 7000 Mitgliedern an die Öffentlichkeit kommen, und ich daran dann Schuld sei. Er hat sich auch unter anderem mit Vorgesetzten in Verbindung gesetzt und verbreitet, ich würde aus Karrieregründen mit unhaltbaren Vorwürfen negative Schlagzeilen produzieren wollen. Als dann die Berichterstattung lief, hat er auch bei der Chefredaktion interveniert. Das war massiver Druck.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Man darf sich durch so etwas nicht beirren lassen. Man muss weitermachen. Außerdem haben mir meine Vorgesetzten den Rücken gestärkt. Ich habe die heiklen Artikel zuvor zudem mit dem Justiziar des Verlags abgesprochen, ob zum Beispiel Persönlichkeitsrechte bei Namensnennung betroffen sind und ähnliches.

Gab es denn Versuche, juristisch gegen die Berichterstattung vorzugehen?

Nein. Es gab weder Gegendarstellungen noch Unterlassungsklagen. Der Grund dafür war sicherlich, dass die Berichterstattung hieb- und stichfest war, es gab keine Angriffspunkte. 

Wie sind Sie an die dafür notwendigen Informationen herangekommen?

Durch die Umfrage unter Kursteilnehmern hatte ich von dubiosen Dienstleistungsverträgen gehört. Diese Gerüchte verdichteten sich und irgendwann habe ich jemanden gefunden, der mir über Kontakte einen solchen Vertrag besorgen konnte. Ebenso wie Stundenzettel, die zum Beispiel ein Handwerksmeister für nicht geleistete Stunden unterschreiben sollte. So sollten Projektkosten aufgebläht und dadurch mehr Subventionen eingestrichen werden

Wie sind Sie anschließend weiter vorgegangen, als Sie diese Informationen in der Hand hielten?

Ich habe die Geschäftsführung der Handwerkskammer damit konfrontiert. Diese Gespräche liefen eigentlich immer nach dem gleichen Muster ab. Bei den Verträgen wurde zum Beispiel zuerst deren Existenz bestritten. Als ich dann einen solchen Vertrag als Beweis vorlegen konnte, hieß es, das sei ein unerklärlicher Einzelfall. Als ich fragte, warum dieser Vertrag auf dem offiziellen Briefpapier verfasst und vom Abteilungsleiter unterschrieben sei, kamen sie in Erklärungsnot.

Das hört sich alles nach einem immensen Zeitaufwand an. Wie lange dauerte die Recherche und waren Sie dafür freigestellt?

Also die Vorrecherchen – als ich die Kursteilnehmer befragte und es die ersten Versuche der Beeinflussung gab – dauerten etwa drei Monate. Als dann der erste Artikel erschienen war, zog das natürlich weitere Berichte nach sich, teilweise war ich jeden Tag mit einem Text zu dem Thema beschäftigt. Insgesamt zog sich die Geschichte über ein Jahr hin. Freigestellt war ich aber nicht. Das Tagesgeschäft musste weitergehen. In der härtesten Zeit entlastete mich mein Ressortleiter von der lokalen Berichterstattung. Aber die Arbeitstage wurden lang und länger und häufig habe ich auch Akten mit nach Hause genommen.

Gab es Reaktionen auf Ihre Berichte im Trierischen Volksfreund?

Es gab eine Menge positiver Leserbriefe. Viele honorierten, dass jemand nachbohrt. Negative Reaktionen kamen nur vereinzelt vor.

Haben Sie einen Tipp, wie man solche Recherchen angehen kann?

Ganz wichtig ist, sich nicht unterkriegen zu lassen, auch wenn man persönlich angegriffen wird. Man darf sich aber auf keinen Fall dazu hinreißen lassen, nicht abgesicherte Informationen zu veröffentlichen. Erst recht nicht, wenn man eine große Geschichte wittert.

Interview: Katrin Matthes

Christiane Wolff

... ist Lokalredakteurin beim Trierischen Volksfreund.

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