Interview

Medialer Tsunami in Altena

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Das Altenaer Kreisblatt (AK) in Westfalen berichtete sachlich über den Angriff auf Bürgermeister Hollstein – anders als manche überregionale Medien. Redaktionsleiter Thomas Bender kritisiert Spiegel Online.

Herr Bender, wann haben Sie vom Angriff auf Bürgermeister Hollstein erfahren?

An dem Montagabend, als ich bereits zu Hause war. Die Geschichte ist ja auf einer Veranstaltung in Köln publik geworden, wo der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet den Staatspreis an den Dichter Navid Kermani überreichte. Beide waren kurz zuvor in Altena gewesen, weil sie den Umgang mit Flüchtlingen, wie Bürgermeister Hollstein ihn handhabt, sehr bemerkenswert finden. Laschet hatte die Information von dem Angriff auf Hollstein erhalten und sie unmittelbar nach der Veranstaltung veröffentlicht. Da waren viele Vertreter überregionaler Medien anwesend. Und die haben sich dann sofort auf die Stadt Altena gestürzt, was Hollstein später einen „medialen Tsunami“ nannte.

Wie haben Sie über den Fall berichtet?

Bei uns hat es an dem Abend noch für ein Titelfoto für die Ausgabe am Tag darauf gereicht. Die Bildzeile war zurückhaltend: Hier stand, dass es einen Messerangriff auf den Bürgermeister gegeben habe, dass er aber nur leicht verletzt sei und das Krankenhaus am Abend wieder habe verlassen können. Wir haben auch geschrieben, dass der Angreifer wohl Deutscher sei, eine Sache, bei der man sich hinterher fragen muss, ob das richtig war. Wir haben damit ja gegen den Pressekodex verstoßen, was die Angabe der Nationalität von Tätern betrifft.

Wollten Sie dem möglichen Gerücht entgegenwirken, es könne sich um einen Asylbewerber handeln?

Nein. Man hat sich nur gewundert, dass nicht auch noch die Schuhgröße des Mannes veröffentlicht wurde. Alles war in aller Munde im Ort, man hätte sich als Lokalzeitung lächerlich gemacht, wenn man nicht auch Alter und Beruf des Angreifers etc. genannt hätte.

Die überregionalen Medien haben ja entschieden aufgeregter berichtet.

Ich bin immer noch fassungslos über das, was da passiert ist. Ich bin Jahrgang 1960, für mich war der Spiegel das Leitmedium meiner Jugend. Aber auf Spiegel Online stand nach dem Attentat: „Angreifer rammt Bürgermeister Messer in den Hals.“ Wenn ich das lese, muss ich davon ausgehen: Der Mann ist tot. Eine Stunde später sitzt er aber in der Pressekonferenz und hat ein kleines Pflaster am Hals. Es soll wirklich überhaupt nichts an dem Angriff relativiert werden, aber die mediale Berichterstattung darüber war schlecht. Die Aufgeregtheit, die in Online-Foren rund um den Fall zu spüren war, hatte mit dieser unangemessenen Berichterstattung zu tun.

Führt diese Art von Berichterstattung letztlich zu weiterem Misstrauen und zu Verschwörungstheorien?

Ja. Wir müssen uns wirklich nicht wundern, wenn die Leute dann von „Lügenpresse“ sprechen. Ich kann die Motivation für diese Art der Berichterstattung auch nicht nachvollziehen. Ich bin mein Berufsleben lang Lokalredakteur, für mich ist wichtig, dass ich weiterhin durch die Stadt laufen kann, ohne dass man vor mir ausspuckt. Und das kann ich nur, wenn ich wahrheitsgemäß und sachgerecht berichte.

Was sollte man nach so einem Vorfall in der Berichterstattung vermeiden?

Aufgeregtheit. Man sollte keine Behauptungen aufstellen und sich voreilig festlegen. Es war zum Beispiel auch sehr schnell die Rede von einem rechtsextremen Hintergrund des Täters. Bei allem, was wir heute über ihn wissen, bin ich sehr gespannt, ob sich diese These aufrechterhalten lässt.

Herr Hollstein hat in einem Interview mit der Zeit gefordert, dass bösartige Leserbriefe mit Klarnamen veröffentlicht werden sollten. Wie halten Sie das beim AK?

Bei uns werden Leserbriefe selbstverständlich nur mit Klarnamen veröffentlicht. Herr Hollstein hat aber auch auf eine andere Sache hingewiesen, die ihn stört. Wir zitieren gelegentlich aus Diskussionen im Internet, und da wird oft nicht unter dem richtigen Namen gepostet. Da wir allerdings keine bösartigen Kommentare zitieren, werden wir das im Einzelfall auch weiterhin tun.

Kontakt

Thomas Bender ist Redaktionsleiter des Altenaer Kreisblatts.
E-Mail: AK@mzv.net

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... „Verschwörungstheorien“ lesen Sie in der kommenden Ausgabe der drehscheibe!

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Kommentare

Kommentar von Heike Martin |

Lieben Dank, Herr Wirner für die prompte Antwort.

Das werde ich ausprobieren, vielleicht wissen die Lüdenscheider wo die Altenaer Redakteure geblieben sind,
bzw., wer für die Nachrichten in dieser Stadt zuständig ist.

Ihnen wünsche ich ein schönes Wochenende.
Heike Martin

Kommentar von Die Red. |

Hallo Frau Martin,

das AK gehört zum Märkischen Zeitungsverlag, wo die Telefonzentrale sitzt, kann ich Ihnen auch nicht genau sagen, möglicherweise in Lüdenscheid. Am Besten Sie probieren es einfach mal aus. Viel Glück mit Ihrem Anliegen, freundliche Grüße, Stefan Wirner

Kommentar von Heike Martin |

Hallo Herr Wirner,

lieben Dank für die schnelle Antwort, aber wo ist denn der "Sitz"
dieser Nummer?

Viele Grüße
Heike Martin

Kommentar von Die Red. |

Hallo Frau Martin,
probieren Sie es doch bitte unter folgenden Kontaktmöglichkeiten:
E-Mail.: AK@come-on.de
Tel.: 0800 8 00 01 05

Viel Erfolg!
Stefan Wirner

Kommentar von Heike Martin |

Hallo Herr Wirner,

leider muß ich Sie nochmals belästigen. Können Sie mir mitteilen, ob es in Altena noch einen zuständigen Lokalredakteur gibt ? Wenn ich bei Come on die Beiträge lese
und die Mail - Adresse unter dem entsprechenden Foto des Redakteurs anklicke, tja dann geht das nicht. Wer schreibt denn die Artikel für diese Stadt ?
Herzlichen Gruß
Heike Martin

Kommentar von Redaktion drehscheibe |

Na von uns, der drehscheibe-Redaktion z.B. Viele Grüße, Stefan Wirner

Kommentar von Heike Martin |

Vielen Dank für die Antwort !
Wird mir auch verraten, von Wem dieser Kommentar noch
gelesen wird?

Kommentar von Redaktion drehscheibe |

Selbstverständlich wird auch dieser Kommentar noch gelesen. Danke!

Kommentar von Heike Martin |

Habe diesen Bericht heute erstmals "gefunden". Mir gefällt dieser Bericht auch sehr gut, vor allem , weil er aussagt, daß sich wohl doch noch Menschen für die Wahrheit interessieren.
Hier, in unserer Stadt stimmt schon lange so einiges nicht mehr.
Weiß nicht, ob diese Zeilen noch gelesen werden, sende aber trotzdem liebe Grüße an Klaus und an H. Bender.

Kommentar von Klaus Bellok |

Gutes Interview von Thomas Bender. Spricht mir aus der Seele!

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