Leseranwalt

Beim Dienstherren verpetzt

von Gastautor

Aus drehscheibe 09/2025

Ich bin vorsichtig geworden. In der Öffentlichkeit vermeide ich das Gendern. Wenn ich in der Kneipe sitze und mir doch einmal irgendetwas Gendermäßiges rausrutscht, schaue ich mich in der Runde um, ob nicht irgendwo ein Spitzel sitzt. Meine Vorsicht hat Gründe.

Gendern ist in Sachsen eine verpönte Angelegenheit. Lehrermangel und Unterrichtsausfall – kalter Kaffee dagegen. Mit seinem Erlass aus dem Jahre 2023, wonach das Verwenden von Sonderzeichen wie dem Gendersternchen in schulischen Schreiben und amtlichen Dokumenten strikt verboten ist, hat das CDU-geführte sächsische Kultusministerium unter dem Beifall der AfD dann auch gezeigt, wo der Hammer hängt.

Da muss man auf der Hut sein. Sonst ist man geliefert und kommt an den Pranger. Das ist jetzt der Leiterin eines Gymnasiums in Flöha passiert, die trotz des erwähnten
Dekrets des Kultusministeriums das gefährliche Gendersternchen verwendet hat. Die Maßregelung folgte auf dem Fuß. Der Elternbrief landete nämlich auch bei der Flöhaer AfD-Politikerin und Landtagsabgeordneten Romy Penz auf dem Tisch – die sofort reagiert hat. Im Landtag stellte sie die Kleine Anfrage, wie das Verwenden des Gendersternchens in einem Elternbrief durch die Leiterin des Flöhaer Gymnasiums mit dem Erlass des Kultusministeriums zu vereinbaren sei. Dabei trifft die Formulierung Kleine Anfrage in diesem Zusammenhang den Kern nicht ganz, glaube ich. Eigentlich kann man sagen, Frau Penz hat die Schulleiterin einfach nur bei ihrem Dienstherren verpetzt. Letztendlich habe die Pädagogin – so teilte es schließlich der Kultusminister mit – ihren Fehler eingesehen und versprochen, ihn nicht noch einmal zu wiederholen.

Was ich verstehen kann. Vermutlich droht bei der zweiten Verwendung des Gendersternchens Berufsverbot, wer weiß. Ich habe auch gehört, dass in Sachsen das mehrfache Verwenden bestimmter Sonderzeichen in Elternbriefen bald härter bestraft werden könnte als das Verwenden verfassungsfeindlicher Kennzeichen in Schulen, aber da bin ich mir nicht sicher.

Auf alle Fälle wackelt jetzt eine feste Größe. Bisher standen ja immer die Grünen als Verbotspartei und Sprachpolizei im Raum. Wer nicht gendert, bekommt nur noch Obst und Gemüse zu essen, als Strafe. Wer kein E-Auto hat, der muss mit dem Lastenrad an die Ostsee in den Urlaub. Aber nun glaube ich, die Sprachpolizei sitzt ganz woanders, aber nicht bei den Grünen. Ich für meinen Teil bin ängstlich geworden, werde nicht mehr öffentlich gendern. Sonst wird man irgendwann noch abgeholt. In diesem Sinne!

Dieser Text erschien am 25. Juni 2025 in der Freien Presse.

Erik Kiwitter

ist Leserobmann der Freien Presse aus Chemnitz.

Telefon: 0371 – 65 66 56 66

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