Hassbotschaft an einer Säule
von Erik Kiwitter
Aus drehscheibe 14/2025
Touristen aus aller Welt sieht man derzeit noch in der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz. In meinem Lieblingsladen in der Straße der Nationen, in dem ich mir gern mal einen Cappuccino hole, habe ich bei passender Gelegenheit einmal nachgefragt, wie sich die Gästezahl in der Stadt auf den Verkauf ausgewirkt hat. Der Mann hinter dem Tresen zögerte mit der Antwort keine zwei Sekunden: Seit Beginn des Kulturhauptstadtjahres habe sich zum Beispiel der Verkauf von belegten Brötchen und Broten etwa verdoppelt.
Im „Herzgebirge“
Auch im Erzgebirge, seit jeher meine Heimatregion, tummeln sich Touristen, mit Ausstellungen und vielen Kunstprojekten gehört das Umland zur Kulurhauptstadt. In der Hospitalkirche in Lößnitz zwischen Chemnitz und Aue zum Beispiel ist das „Universe in a Pearl“, eine Skulptur der aus Hessen stammenden Künstlerin Rebecca Horn, zu bestaunen. So tauchen in der Stadt und in der Gegend auf der einen Seite immer mal wieder verschiedene Dialekte auf. Und andererseits gibt es tatsächlich auch hier immer wieder Menschen, die sich über Besucher aus anderen Regionen oder Ländern freuen, die sich für die Gegend interessieren. Wie groß deren Zahl tatsächlich ist, lässt sich allerdings nicht genau sagen. Die Menschen hier im Erzgebirge zelebrieren ihre Region oft als „Herzgebirge“. Das ist interessant.
Nur 50 Meter von der Hospitalkirche entfernt stand ich in der vergangenen Woche mit meiner jüngeren Tochter an einer Bushaltestelle direkt an der B 169. An einer Säule des Wartehäuschens entdeckten wir schnell – sie war kaum zu übersehen – eine merkwürdige Kritzelei, bei der es sich um einen Vornamen und einen Nachnamen handelte: Adolf Hitler. So wie man oft an solchen Stellen verrückte Dinge liest wie „Wismut Aue meine große Liebe“ oder „Carolin ich brauche dich“, stand jetzt hier an diese Säule: „Adolf Hitler“. Fast wie eine kleine Liebeserklärung. Es fehlte nur ein Herzchen.
Solche Nazischmierereien gibt es hier an allen Ecken und Enden. Was bleibt da noch vom Herzgebirge übrig? Wenig. Schlimm ist, dass man gar nicht mehr überrascht ist. Wir leben in einem Land, in dem laut und schrillüber Klimakleber hergezogen wird, dafür dienen Stift hervorgekramt und unter Hitlers Namen geschrieben: „Arschloch, Diktator & Massenmörder. Schämt euch!“ Vielleicht hat sie jetzt ein Ordnungsgeld wegen Sachbeschädigung an der Backe oder ein Verfahren wegen Führerbeleidigung. Damit muss man heute hier rechnen. In diesem Sinne!
Dieser Text erschien am 25. Juni 2025 in der Freien Presse.
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