Leseranwalt

Vorwurf der Einseitigkeit

von

Aus drehscheibe 03/2024

Ein Leser schreibt uns eine E-Mail mit dem Betreff „Berichterstattung einseitig“. Er finde diese „nicht ausgewogen, da immer nur von rechts Gefahr droht“. Doch beim Parteitag der Linken in Augsburg habe zum Beispiel ein Politiker öffentlich zur Gewalt gegen Politiker der AfD aufgerufen. Die Antifa habe Privatadressen der AfD veröffentlicht und ebenfalls zur Gewalt gegen diese Politiker aufgerufen.

Vor zwei Wochen hätten die Bauern demonstriert, es habe keinen verletzten Polizisten gegeben. „In Berlin fand vor Kurzem eine Demo aus der linken Szene statt, 20 verletzte Polizisten, das ist nicht der Rede wert.“

Leider habe er den Eindruck, dass die „Zeitung dem Mainstream folgen soll. Wenn ich noch weiter zurückschaue, auf die Corona-Zeit, auch in Ihrer Zeitung wurde gegen Impfgegner gehetzt, und es wurden die Dinge zu wenig kritisch hinterfragt“.

Hat die Redaktion hier eine Seite bevorzugt und die andere benachteiligt? Aus meiner Sicht nicht. Bei der täglichen Arbeit als Redakteurin und Redakteur dürfen Sympathien oder Antipathien keine Rolle spielen. Eine Redaktion schreibt sich eine gewisse Gleichbehandlung auf die Fahne. Das Stichwort lautet hier: gerechte Darstellung. Eine Aussage darüber, ob es am Ende wirklich gerecht zugeht, lässt sich nicht anhand weniger Zeitungsausgaben treffen.

Wie ein Leser eine Berichterstattung wahrnimmt, hängt zu einem nicht unbedeutenden Teil davon ab, welche individuelle Meinung er dazu hat. Manch ein Leser glaubt dann: Die Zeitung positioniert sich gegen meine Meinung.

Es ist richtig, dass ein Linken-Politiker auf dem Parteitag in Augsburg mit umstrittenen Äußerungen aufgefallen ist. So sagte er unter anderem: „Wenn die AfD versucht, in einer Kneipe was zu machen, dann sind wir rechtzeitig da, reden freundlich mit dem Wirt, damit er die wieder auslädt. Wenn er sie nicht auslädt, reden wir noch mal nicht ganz so freundlich. Und wenn das noch nicht gereicht hat, gibt es weitere Möglichkeiten, die ich hier nicht öffentlich darlegen möchte.“
Ja, es war nach Internet-Recherchen die Frankfurter Antifa, die Privatadressen von hessischen AfD-Landtagskandidaten ins Netz gestellt und geäußert hatte, es sei „längst überfällig, die Partei und ihre Individuen entschlossen zu bekämpfen“.

Über die Proteste von Lkw-Fahrern in Berlin berichteten wir zwar nicht in der gedruckten Ausgabe, aber online auf Onetz.de. Die Demo der linken Szene in Berlin mit wohl über 20 verletzten Polizeibeamten wurde nicht in dieser Zeitung behandelt. Keine böse Absicht, kein Versuch, etwas zu verschweigen oder unter den Teppich zu kehren. Unser Schwerpunkt liegt auf Themen aus der Oberpfalz beziehungsweise mit sehr engem Bezug zu den Menschen in der Oberpfalz. Die Deutsche Presseagentur (dpa) versorgt uns täglich mit bis zu 1.000 Meldungen. Also müssen wir immer Abstriche machen und können nur einen Überblick bieten. Der Platz in der Zeitung ist endlich, wir können nicht über alles berichten, was in Deutschland und der Welt passiert.

Ich weiß, dass Leserinnen und Leser gerne Beispiele anführen, auf welche Beiträge wir stattdessen hätten verzichten können. Wir versuchen jedoch, das Informationsbedürfnis möglichst vieler Menschen abzu­decken.

Der vollständige Beitrag erschien am 29. Januar 2023 auf Onetz.de. Er wurde redaktionell bearbeitet und gekürzt.

Jürgen Kandziora

Autor

Jürgen Kandziora ist Leseranwalt des Neuen Tags aus Weiden in der Oberpfalz.

Mail: juergen.kandziora@oberpfalzmedien.de
Telefon: 0961 – 854 44

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