Leseranwalt

Warum Bilder groß sein dürfen

von Gastautor

Aus drehscheibe 11/2025

„Ich blättere gerade in der Ausgabe“, schrieb dieser Tage ein Leser aus Neustadt an der Waldnaab. Er sei kein Abonnent, kaufe den Neuen Tag aber maximal zweimal in der Woche. Mit ein Grund für den Verzicht auf ein Abo, so konnte man seine Mail interpretieren, sei „eine Platzverschwendung durch die großen Bilder“. Er wolle aber nicht nur schimpfen, meinte der Leser, und verwies auf einen Bericht über eine zweifache Mutter, die eine Teilzeitausbildung zur Pflegefachfrau absolviert. „Sehr informativ, wird sicher viele interessieren“, so das Lob. Kleine Anmerkung des Leseranwalts: Auch dieser Artikel hatte ein größeres Bild. Gleich auf acht Seiten hatte der Leser dort platzierte Fotos als zu groß erachtet. Immer wieder melden sich Leser, denen die Dimensionen mancher Fotos zu viel des Guten sind. Vor allem dann, wenn es sich um Fotos handelt, die nahezu ein Drittel einer Seite füllen. Dann heißt es oft: Den Platz hätte man lieber für weitere Nachrichten nutzen sollen.

Nicht von der Hand zu weisen ist, dass so manches Bild in der Zeitung auch kleiner ausfallen könnte, ohne an Wirkung zu verlieren. Doch lässt sich festhalten: Es kommt schon auf die Größe an. Für großformatige Fotos kann ich mich begeistern, vorausgesetzt, sie sind wirklich gut und gelungen. Sie bieten einen Leseanreiz. Ein großes Foto auf einer Zeitungsseite sollte kein Zufallsprodukt oder Lückenfüller sein, es sollte so gewollt und ein wichtiges Element eines attraktiven Zeitungsdesigns sein.
In einer meiner früheren Kolumnen hatte ich mich bereits mit dem Thema Bildgröße befasst und geschrieben: „Ein Foto – vorausgesetzt, es hat die nötige Qualität – veredelt eine Zeitungsseite, wenn ihm das Format gegönnt wird, das es für das Entfalten seiner Wirkung auf den Betrachter braucht. Ob als sogenanntes 'Schmuckbild' mit einer kuriosen, witzigen oder einfach schönen Alltagsszene. Oder als zum Artikel zugehöriges Bild, das eine visuelle Unterstützung ist, um das Interesse auf den Bericht und dessen Inhalt zu lenken.“ Zeitungsmacher und vor allem auch Online-Teams wissen aus Erfahrung: ohne Foto weniger Aufmerksamkeit.

Die Zeiten, „nur“ in Texten zu denken, seien längst vorbei, hat der renommierte Zeitungsdesigner Norbert Küpper bereits vor Jahren deutlich gemacht. Heute gelte es mehr denn je, gute Texte auch mit guten optischen Reizen anzubieten. In einem Beitrag verweist Küpper auf die Testmethode der Blickaufzeichnung. Hier werden Zeitungen in Print oder Online durch eine Messung des Blickverlaufs untersucht. Man könne sehen, in welcher Reihenfolge die Informationsaufnahme erfolgt und bis zu welcher Textstelle gelesen wird. Bei dieser Methode zeige sich immer wieder, dass Bilder sehr viel stärker beachtet werden als Texte. „Bilder bilden fast immer den Einstieg in einen Artikel und sind wichtige Blickpunkte auf einer Zeitungsseite“, verdeutlicht Küpper.
Küpper sagt: „Wir wollen auf jeder Seite oben ein großes Bild haben. Andere Bilder sollen kleiner sein. Dadurch wird man als Leser automatisch auf den Startpunkt der Seite geführt – nämlich nach oben. Die Bilder sollen aber auch nicht zu groß werden, weil sonst der Eindruck entsteht, dass Text fehlt.“

Der Beitrag erschien bei Onetz.de am 27. Juni 2025. Er wurde leicht überarbeitet.

Jürgen Kandziora

Autor

Jürgen Kandziora ist Leseranwalt des Neuen Tags aus Weiden in der Oberpfalz.

E-Mail: juergen.kandziora@oberpflazmedien.de

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