Debatte

Für einen modernen Lokaljournalismus

von

Carsten Fiedler und Lutz Feierabend
Carsten Fiedler und Lutz Feierabend

 

Es wird derzeit viel über die Zukunft des Journalismus, insbesondere des Lokaljournalismus, diskutiert. Der Auslöser dafür ist ein tiefgreifender Transformationsprozess, in dem alle Verlage und Redaktionen stecken. Die Medienbranche wird von der digitalen Revolution mit voller Wucht getroffen.

Früher war das Verbreiten gedruckter Informationen auf Papier ein exklusives Geschäft. Heute konkurrieren zig Medienangebote gleichzeitig auf Smartphone, Tablet und Co. um die Aufmerksamkeit von Lesern.

Das Geschäftsmodell der klassischen gedruckten Tageszeitung ist unter Druck, und für digitale Nachrichtenangebote zahlen noch zu wenige Kunden Geld. Immerhin scheint sich die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit nun auf eine wesentliche Frage zu richten, deren Beantwortung nicht zuletzt für das Funktionieren unserer Demokratie von großer Bedeutung ist:

Wie lässt sich unabhängiger Journalismus auch in Zukunft finanzieren?

Der Kölner Stadt-Anzeiger ist eine geschätzte und relevante Medienmarke für die Stadt Köln und das gesamte Rheinland. Seine Redaktion hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Auszeichnungen für ihre journalistische Arbeit bekommen – darunter beispielsweise den Wächterpreis für die Berichterstattung über die Kölner Silvesternacht 2015 und die Folgen.

Lokalredakteure sind Lokalpatrioten

Die zentrale Frage, der wir uns als Redaktion stellen müssen, lautet nun: Wie lässt sich diese Qualität auch im digitalen Zeitalter sicherstellen und weiterentwickeln?

Ein alter Journalistenspruch lautet: Lokalredakteure sind immer auch Lokalpatrioten. Als Chronisten, Reporter, Kritiker sind sie aktive Beobachter des Geschehens in der Stadt und der Region, in der sie arbeiten und leben.

Wenn in Köln um Posten geschachert wird; wenn Bauprojekte aus dem Ruder laufen; wenn Katastrophen wie der Stadtarchiv-Einsturz über Monate gerichtlich aufgearbeitet werden müssen; oder wenn bürgerschaftliche Projekte Öffentlichkeit, ehrenamtliche Initiativen Unterstützung, Schulen und Kindertagesstätten Hilfe brauchen: Immer dann sind Lokaljournalisten zur Stelle.

Kritische Einordnung und konstruktive Begleitung

Die Regional- und Lokalzeitungen sorgen mit ihren Digital- wie Print-Angeboten für die kritische Einordnung und konstruktive Begleitung der Menschen in ihrem Lebensalltag. Lokaljournalisten, die das Handwerk gelernt haben, berichten aus dem Gemeinderat und kümmern sich beispielsweise um das Für und Wider in der Frage des Rathaus-Neubaus oder des Abrisses des Hallenbades.

Sie analysieren mit lokalem Datenjournalismus Engpässe in der Kita-Versorgung oder die Probleme der Wohnungsnot. Und nicht zuletzt nehmen sie jene Aufgaben der Vermittlung und kritischen Reflexion wahr, die für die Demokratie – beginnend auf der kommunalen Ebene – unverzichtbar sind.

Die hier benannte entscheidende Voraussetzung lautet: Unabhängigkeit – wirtschaftlich wie inhaltlich. Natürlich sind Journalisten Teil einer Öffentlichkeit: Sie haben Netzwerke, es gibt Informanten, sie haben eine Meinung. Aber sie handeln grundsätzlich nach dem Prinzip, möglichst alle Seiten zu hören und die Positionen auch darzustellen.

Das unterscheidet Lokaljournalismus von einer Pressemitteilung einer Partei, einer Behörde, eines Unternehmens. Diese Voraussetzung gilt weder für kommunale Informationsprodukte noch für Webseiten Einzelner. Außerhalb von regionalen Medienhäusern ist es in Deutschland bisher nur außerordentlich selten gelungen, ein qualitativ hochwertiges lokales Nachrichtenangebot dauerhaft zu etablieren.

Noch nie so viele Leser wie heute

Dies unter den Bedingungen der digitalen Veränderungen zu schaffen, ist die Herausforderung für die ganze Branche. Diejenigen, die dieses hohe journalistische Gut erhalten und zukunftsfähig machen wollen, suchen deswegen nach Austausch und Kooperation.

Noch nie haben Redaktionen so offen über die Grenzen der Verlagshäuser hinweg miteinander kommuniziert und sich gegenseitig Einblicke verschafft. Mit gutem Grund: Die Veränderungen durch die Digitalisierung sind für alle gleich – und gleichermaßen gewaltig.

Der Kölner Stadt-Anzeiger hatte noch nie so viele Leserinnen und Leser wie heute. Schon am morgigen Tag können es im Digitalen wieder mehr sein als heute. Die Aufgabe für alle Zeitungshäuser besteht jedoch darin, in einer Medienlandschaft, in der die Menschen mehr und mehr mobil über das Internet kommunizieren und konsumieren, kostendeckende Geschäftsmodelle zu entwickeln: digitale Abos, die so gestaltet sind, dass damit journalistische Leistung auf Dauer finanziert werden kann.

Verlässliche lokaljournalistische Angebote für Stadt und Region

In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Regionalverlage daran begeben, ihre digitalen Angebote kostenpflichtig zu machen. Auch der Kölner Stadt-Anzeiger arbeitet an einem solchen digitalen Abomodell. In Skandinavien etwa führt das schon zu relevanten Umsätzen: Der Auflagenrückgang der gedruckten Zeitung kann dort durch digitale Abo-Modelle teilweise aufgefangen werden. Deswegen kann die lokale Presse in Skandinavien weiterhin in der Fläche präsent sein.

Schaffen auch wir es, diesen Weg erfolgreich zu gehen, wird es in den nächsten Jahrzehnten weiterhin verlässliche lokaljournalistische Angebote für Stadt und Region geben – in Köln ebenso wie in Bedburg-Kaster, Blankenheim, Windeck-Rosbach oder Bergneustadt. Und zwar für jeden so, wie er es am liebsten möchte: in gedruckter Form, als E-Paper oder auf www.ksta.de.

Für sie machen wir den Kölner Stadt-Anzeiger

Die Leserbriefe unserer Print-Abonnenten sind für die Redaktion ein wichtiger Impulsgeber, ein Korrektiv. Digitale Leser geben eine andere Form der Rückmeldung: Sie definieren – für uns in Echtzeit messbar – selbst durch ihr Nachfrageverhalten, was sie relevant finden: Inhalte mit hohem Nutzwert für den Alltag; Inhalte, die das Geschehen in der Stadt, in der Region einordnen. Kommentare und Analysen, die Geschichten hinter der Geschichte. Und natürlich die „Scoops“, also Top-Nachrichten und -Enthüllungen.

Die Herausforderung durch die Digitalisierung hilft also gleichzeitig dabei, eine zuweilen etwas brüchig gewordene Verbindung neu zu knüpfen: die zwischen Lesern und Redaktionen. Für uns als Redaktion bedeutet das: Wir müssen unser Wissen, unsere Erfahrung und unser Know-how mit neuen Messtechniken, die den digitalen Erfolg oder Misserfolg unserer Inhalte anders darstellen als bisher, verknüpfen und uns darauf konzentrieren, unseren Leserinnen und Lesern noch gezielter das anzubieten, was sie interessiert und was für sie einen hohen Nutzwert hat.

Wir müssen uns zudem fragen: Was können wir bieten, was andere nicht haben? Was können wir besser als andere? Die Digitalisierung zwingt Journalisten dazu, sich ständig zu hinterfragen, aktuell und schnell, dabei aber verlässlich zu arbeiten. Wir wissen, dass wir noch besser werden können und digitaler werden müssen.

Unbestritten: Die Branche ist in der Phase eines gewaltigen Umbruchs. Dieser Prozess gewinnt an Tempo und fordert die Redaktionen, Antworten zu finden. Wir haben uns, wie viele andere, auf den Weg gemacht, weil uns Lokaljournalismus am Herzen liegt – genau wie die Stadt Köln und die Region. Unsere Arbeit als Redaktion beruht auf dieser lebendigen Verbindung und auf dem Austausch mit unseren Leserinnen und Lesern. Für sie machen wir den „Kölner Stadt-Anzeiger“, als Zeitung und als digitales Angebot. Heute, morgen und in Zukunft.

Der Text erschien zuerst am 9. Mai 2019 auf Ksta.de. Wir danken Carsten Fiedler und Lutz Feierabend für die Erlaubnis zur Veröffentlichung. Zum Kölner Stadt-Anzeiger

Lutz Feierabend

ist stellvertretender Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers.

Carsten Fiedler

ist Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers.

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