Ein Fall für den Presserat

Bericht über einen Triebtäter

von

Der Fall:

Unter den Überschriften „Ehemaliger Triebtäter sollte Fußballerinnen trainieren“ und „Ex-Triebtäter als neuer Frauentrainer“ berichtet eine Regionalzeitung, dass der örtliche Sportverein einen Mann mit einem einschlägigen Vorstrafenregister als Trainer für die Damen-Fußballmannschaft engagiert hat. Der Mann soll über mehrere Jahre lang Hunderte von Frauen am Telefon sexuell belästigt haben und dafür mehrfach verurteilt worden sein. Als der örtliche Sportverein von dem Vorleben des Trainers erfuhr, sei er sofort suspendiert worden. Der Betroffene beschwert sich: Er hält die Berichterstattung für diskriminierend und falsch. Er werde in den Beiträgen als Sextäter dargestellt, der Frauen sexuell belästigt und genötigt habe. Er sei aber wegen Beleidigung und Amtsanmaßung, jedoch nie wegen sexueller Belästigung angeklagt oder verurteilt worden. Er wirft der Redaktion vor, dass er durch die Berichterstattung seinen Job als Fußballtrainer verloren habe.

Die Redaktion:

Der Chefredakteur hält die Beschwerde für unbegründet. Der Beschwerdeführer habe in den letzten Jahren wiederholt Frauen sexuell belästigt und sei dafür auch zu Haftstrafen verurteilt worden. Da es in der Region zahlreiche Betroffene gebe, sei dieser Vorgang von erheblichem öffentlichen Interesse. Insbesondere deshalb, weil der Mann als Trainer für die Damenmannschaft des Sportvereins engagiert worden sei. Der Chefredakteur betont, dass die Berichterstattung in schonender Art und Weise und ohne Vorverurteilung erfolgt sei. Im Mittelpunkt stände ausdrücklich nicht die Person, sondern die Straftat. Der Mann werde weder namentlich genannt noch unmittelbar identifizierend dargestellt.

Das Ergebnis:

Der Beschwerdeausschuss sieht keine Verstöße gegen die Ziffern 2 und 8 des Pressekodex. Die Beschwerde ist unbegründet. Zwar ist der Mann rein formal wegen Nötigung und Amtsanmaßung verurteilt worden, die Formulierungen der Redaktion, er habe „über viele Jahre Hunderte von Frauen sexuell belästigt“ erachtet der Ausschuss jedoch als zulässig, da die Taten sexuell motiviert waren. Die Mitglieder stellen zudem klar, dass die Redaktion nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden ist. Der Ausschuss ist zudem der Auffassung, dass es aufgrund der sexuellen Motivation der Taten einen Sachzusammenhang zwischen den früheren Verurteilungen und dem heutigen Job als Trainer einer Frauenmannschaft gibt. Das öffentliche Interesse an dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer solchen Vorgeschichte eine Frauenmannschaft trainiert, ist höher einzuschätzen als sein Persönlichkeitsrecht. Der Ausschuss sieht deshalb keine Verletzung der Ziffer 8 gegeben, zumal die Redaktion den Mann auch nicht identifizierbar darstellt.

Der Kodex:

Ziffer 2 - Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.

Ziffer 8 - Persönlichkeitsrechte

Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Autorin

Ella Wassink ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Presserat.

Mail: wassink@presserat.de
Web: Presserat.de

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