Presserat

Bild mit Maske

von

aus drehscheibe 01/2022

Der Fall:

Eine Sonntagszeitung berichtet über den Prozess gegen einen 41-jährigen Mann. Ihm wird vorgeworfen, eine Rohrbombe gebaut und sie sich selbst vor die Tür gelegt zu haben, um den Verdacht auf seine ehemalige Partnerin zu lenken, mit der er einen Sorgerechtsstreit führt. Der Zeitung zufolge hat der Angeklagte die Tat zugegeben. Die Staatsanwaltschaft ist zudem der Meinung, dass der Mann versucht habe, seinem Stiefsohn ein mit Cristal Meth versetztes Bonbon zu geben. Der Bericht enthält Fotos des Angeklagten, auf denen er mit einer FFP2-Maske zu sehen ist. Bezeichnet wird er mit Vornamen und erstem Buchstaben des Nachnamens. Eine Leserin der Zeitung kritisiert, dass der Angeklagte erkennbar dargestellt wird.

Die Redaktion:

Dem widerspricht die Rechtsabteilung des Verlages. Auf den Fotos trage der Mann eine verhüllende Gesichtsmaske. Sein Nachname werde nur verkürzt genannt. Damit fehle die Grundvoraussetzung für Vorverurteilung und Erkennbarkeit einer bestimmten Person. Die Rechtsabteilung schließt ihre Stellungnahme mit den Worten: Wer für niemanden erkennbar sei, könne auch nicht vorverurteilt werden.

Das Ergebnis:

Der Beschwerdeausschuss erkennt eine Verletzung des in Ziffer 8 des Pressekodex definierten Schutzes der Persönlichkeit. Er spricht eine Missbilligung aus. Der Angeklagte wird durch die Berichterstattung identifizierbar. Die Gesichtsmaske, die er auf den Fotos trägt, ist nicht geeignet, ihn ausreichend zu anonymisieren. Die Identifizierbarkeit ist nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt, da die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten von keiner der Ausnahmeregelungen der Richtlinie 8,1, Absatz 2 (siehe unten), erfasst sind.

Der Kodex:

Ziffer 8 – Schutz der Persönlichkeit

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein. Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Mehr zu Richtlinie 8,1, Absatz 2 gibt es hier: www.presserat.de/pressekodex.html

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.



E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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