Presserat

Ein Foto mit Folgen

von

aus drehscheibe 13/2021

Der Fall:

Die Einwohnerzahl eines Ortes erreicht bald die 8.000er-Marke. Eine Lokalzeitung nimmt das zum Anlass, über die 18 Jahre zurückliegende Begrüßung der 7.500. Einwohnerin, eines damals Neugeborenen, zu berichten. Die Namen der Eltern und des Kindes werden genannt, ebenso wie dessen Geburtsdatum und -gewicht. Dem Beitrag ist ein großes Foto von damals beigefügt, auf dem der Bürgermeister das Baby und die Eltern begrüßt. Die Mutter der heute 18-Jährigen beschwert sich beim Presserat. Die erneute Veröffentlichung des Fotos und die Preisgabe des Geburtsdatums und -gewichts ihrer Tochter verstoßen ihrer Meinung nach gegen den Datenschutz. Zwar hätten sie und ihr inzwischen verstorbener Mann damals in die identifizierende Berichterstattung eingewilligt. Jedoch hätten ihre Tochter und sie der erneuten Veröffentlichung des Fotos und der weiteren Angaben zu ihrer Familie nicht erneut zugestimmt: Einerseits, weil ihr Mann inzwischen gestorben sei, und andererseits, weil es sich um sensible persönliche Daten handele.

Die Redaktion:

Die Redaktion bedauert zwar die unglücklichen Umstände der Veröffentlichung. Sie hält diese aber für presseethisch zulässig. Der Beitrag betreffe einen zeitgeschichtlich bedeutsamen Anlass: Das Anwachsen der Gemeinde auf bald 8.000 Einwohner werde auch von offizieller Seite als besonderes Ereignis begangen. Zur Bebilderung des bevorstehenden Ereignisses sei der im Jahr 2003 gefeierte letzte Meilenstein nochmals in den Blick genommen worden. In die Veröffentlichung der Daten (Foto, Namen, Geburtsgewicht der Tochter) habe die Beschwerdeführerin damals ausdrücklich eingewilligt. Die Einwilligung, die nie widerrufen worden sei, gelte daher fort. Die erteilte Einwilligung erstrecke sich auch auf die Verwendung eines Fotos zu Archiv- und erneuten Veröffentlichungszwecken. Zudem bestehe an der Tochter als Jubiläumseinwohnerin der Gemeinde ein erhebliches lokales öffentliches Interesse.

Das Ergebnis:

Der Presserat erkennt einen Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 des Pressekodex und spricht einen Hinweis wegen der Veröffentlichung des Geburtstags und des Geburtsgewichts der Tochter aus. Foto- und Namensveröffentlichung sind hingegen mit dem Pressekodex vereinbar. Zwar war die ursprünglich erteilte Einwilligung der Betroffenen an die Begrüßung als 7.500. Einwohnerin zweckgebunden. Jedoch stellt diese bei einer solch kleinen Gemeinde zweifellos ein zeitgeschichtliches Ereignis dar. Dies rechtfertigt, dass bei dem bevorstehenden aktuellen Meilenstein von 8.000 Einwohnern noch einmal mit Foto und Namensnennung über das vergangene Ereignis berichtet wird. Insoweit überwiegt das öffentliche Informationsinteresse die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen. An der Veröffentlichung des Geburtsdatums und -gewichts der Tochter besteht 18 Jahre später jedoch kein berechtigtes Informationsinteresse.

Der Kodex:

Ziffer 8 – Schutz der Persönlichkeit

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein. Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Autorin

Kerstin Lange ist Referentin für Recht und Redaktionsdatenschutz beim Deutschen Presserat.

E-Mail: lange@presserat.de

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