Presserat

Fehler im Umgang mit Tippfehlern

von

aus drehscheibe 13/22

Der Fall 

Eine Lokalzeitung druckt einen Leserbrief ab, in dem sich der Einsender positiv über die Entscheidung des Oberbürgermeisters äußert, das örtliche Oktoberfest im Jahr 2022 stattfinden zu lassen. Später heißt es im abgedruckten Leserbrief, dass aus heutiger Sicht zumindest 2022 der Zwangsverzicht auf das Fest nicht gerechtfertigt gewesen sei. Der Verfasser fühlt sich sinnentstellend zitiert. Im Original-Leserbrief, den er dem Presserat vorlegt, steht, dass aus heutiger Sicht zumindest 2020 der Zwangsverzicht nicht gerechtfertigt gewesen sei. Aufgrund der falsch abgedruckten Jahreszahl werde er nun immer wieder gefragt, was er denn habe sagen wollen.

Die Redaktion 

Die Redaktion verweist darauf, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen sehr eifrigen Leserbriefschreiber handele. Die Veröffentlichung seiner mit Schreibmaschine geschriebenen Briefe sei jeweils mit einem entsprechenden Aufwand verbunden. Zwar räumt die Redaktion ein, die Jahreszahl falsch abgetippt zu haben. Hierbei handele es sich jedoch um keine sinnentstellende Verfälschung, sondern um ein erkennbares Versehen. Daraus ergebe sich keine Verpflichtung zum Abdruck einer Berichtigung, wie sie der Beschwerdeführer von der Redaktion gefordert habe. Jeden einzelnen Tippfehler einer Zeitung zu berichtigen, stieße auch an praktische Grenzen.

Das Ergebnis 

Der Vorsitzende des Beschwerdeausschusses erkennt einen Verstoß gegen die Pflicht zur Richtigstellung nach Ziffer 3 des Pressekodex und spricht einen Hinweis aus. Zwar konnte die Redaktion plausibel darlegen, dass es sich bei der falschen Jahreszahl um einen Tippfehler handelt. Insoweit liegt kein Verstoß gegen die Ziffer 2 des Pressekodex vor, da reine Tippfehler keinen Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht darstellen. Jedoch hat sie im konkreten Fall ihre Verpflichtung zur Richtigstellung nach Ziffer 3 des Pressekodex verletzt. Zwar besteht in der Tat keine grundsätzliche Verpflichtung der Redaktion, Tippfehler nach Ziffer 3 des Kodex richtigzustellen. Korrigiert werden müssen aber nach Ziffer 3 Fehler, die einen Verstoß gegen das Gebot der wahrhaftigen Information der Öffentlichkeit darstellen. Im vorliegenden Fall ist jedoch für die Leserschaft aus dem Inhalt des Leserbriefs nicht erkennbar, dass es sich um einen Tippfehler handelt. Insofern hätte die Redaktion eine Richtigstellung veröffentlichen müssen.

Kodex

Richtlinie 2.6 – Leserbriefe

(1) Bei der Veröffentlichung von Leserbriefen sind die Publizistischen Grundsätze zu beachten. Es dient der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit, im Leserbriefteil auch Meinungen zu Wort kommen zu lassen, die die Redaktion nicht teilt.
(…)
(4) Änderungen oder Kürzungen von Zuschriften ohne Einverständnis des Verfassers sind grundsätzlich unzulässig. Kürzungen sind jedoch möglich, wenn die Rubrik Leserzuschriften einen regelmäßigen Hinweis enthält, dass sich die Redaktion bei Zuschriften, die für diese Rubrik bestimmt sind, das Recht der sinnwahrenden Kürzung vorbehält. Verbietet der Einsender ausdrücklich Änderungen oder Kürzungen, so hat sich die Redaktion, auch wenn sie sich das Recht der Kürzung vorbehalten hat, daran zu halten oder auf den Abdruck zu verzichten.

Autorin

Kerstin Lange ist Referentin für Recht und Redaktionsdatenschutz beim Deutschen Presserat.

E-Mail: lange@presserat.de

Veröffentlicht am

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Kommentieren

Bei den mit Sternchen (*) markierten Feldern handelt es sich um Pflichtfelder.