Ein Fall für den Presserat

Herkunft verraten

von

Der Fall:

Das Online-Portal einer Regionalzeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Pole schlägt seiner Ex-Freundin den Schädel ein“. Nicht nur im Titel, sondern auch im Text wird zweimal erwähnt, dass es sich bei dem Täter um einen Polen handelt. Als Motiv für das Verbrechen vermutet die Zeitung, „dass der Pole die Frau aus Rache töten wollte“. Die Frau, die nach dem Angriff mit einem Hammer in Lebensgefahr schwebt, hatte kurz zuvor die Beziehung zu dem Mann beendet. Ein Leser der Online-Ausgabe reicht Beschwerde beim Presserat ein. Er sieht die Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex (Berichterstattung über Straftaten) verletzt. Die Staatsangehörigkeit des Täters wird mehrfach genannt. Für den Leser ist nicht ersichtlich, was dieser Aspekt mit der Tat zu tun hat.

Die Redaktion:

Die Zeitung teilt mit, die Redaktion habe die Beschwerde zum Anlass genommen, den Beitrag kritisch zu prüfen. Sie ist zu dem Schluss gekommen, dass der Leser recht habe. Es sei tatsächlich nicht erforderlich gewesen, zu erwähnen, dass der Täter aus Polen stammt. Die Redaktion hat daraufhin die problematischen Passagen sofort abgeändert, und der Beitrag steht nun ohne die kritisierten Angaben online.

Das Ergebnis:

Der Presserat kommt zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde begründet ist. Nach Ziffer 12 des Pressekodex darf niemand wegen seiner Nationalität diskriminiert werden. Richtlinie 12.1 besagt, dass die Zugehörigkeit des Verdächtigen oder Täters zu einer Minderheit nur dann erwähnt wird, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Dieser Sachbezug ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, der Pressekodex wurde verletzt. Die Redaktion hat ihren Fehler eingesehen und in der Online-Berichterstattung korrigiert. Der Presserat verzichtet wegen der umgehenden Korrektur darauf, eine Sanktion auszusprechen.

Der Kodex:

Ziffer 12  –  Diskriminierungen

Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.

Richtlinie 12.1  –  Berichterstattung über Straftaten

In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

Edda Eick

Autorin

Edda Eick ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.
Telefon 030 – 36 70 07-0
E-Mail: eick@presserat.de

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