Presserat

Informiert und beworben

von

aus drehscheibe 02/2023

Der Fall 

Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Eine Frage der Gerechtigkeit“. Sie informiert darin über einen Verein, der sich gegen doppelte Abgaben bei Betriebsrenten einsetzt. Viele Arbeitnehmer wüssten nicht, dass im Alter hohe Abzüge bei den Renten auf sie zukämen. Die Redaktion hat dazu ein Gespräch mit einem Vertreter des Vereins geführt. In den Artikel eingeklinkt ist eine großflächige Anzeige dieses Vereins. Ein Leser hält der Zeitung vor, der Artikel sei werblicher Natur. Der interviewte Vereinsvertreter, der im Artikel mit Foto gezeigt wird, tauche sogar als Ansprechpartner in der Anzeige auf. Der Artikel hätte nach Ansicht des Beschwerdeführers mit einem Hinweis auf seinen Anzeigencharakter gekennzeichnet werden müssen.

Die Redaktion 

Der Chefredakteur Newsdesk hält die Beschwerde nicht für stichhaltig. Der Text sei nicht von der Anzeige beeinflusst. Er schildere nüchtern einen Fall, der seit einiger Zeit politisch diskutiert werde. Zu Wort komme nicht nur die Person, die die Anzeige geschaltet habe, sondern auch mehrere andere Ansprechpartner. Zudem werde auf einschlägige Urteile des Bundesverfassungsgerichts verwiesen. Es sei eindeutig kein Werbetext. Außerdem handele es sich hier um die Anzeige eines Vereins. Es sei also keinerlei Gewinn- oder klassische Werbeabsicht zu un-terstellen, die ein Artikel unterstützen könnte. In einem solchen Text wäre es ohnehin üblich und sinnvoll, die Kontaktdaten des Vereins als Service etwa in einem Hinweiskasten zu veröffentlichen.

Das Ergebnis 

Der Beschwerdeausschuss erkennt in dem redaktionellen Beitrag und der beigestellten Anzeige eine Verletzung der in Ziffer 7 des Pressekodex festgeschriebenen Pflicht zur klaren Trennung von Redaktion und Werbung. Er spricht eine Missbilligung aus. Der Artikel ist in dieser Form nicht von einem öffentlichen Interesse gedeckt. Es ist nicht grundsätzlich zu beanstanden, dass die Redaktion über den Verein informiert. Im konkreten Fall lässt die Berichterstattung jedoch die gebotene redaktionelle Distanz vermissen. Weil die Zeitung dem redaktionellen Artikel eine Anzeige des Vereins beigestellt hat, verstößt sie gegen das Trennungsgebot nach Ziffer 7. Durch die enge räumliche Verzahnung kann bei der Leserschaft der Eindruck entstehen, dass die Schaltung der Anzeige Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung genommen hat.

Der Kodex

Ziffer 7 – Trennung von Werbung und Redaktion

Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. (...)

Richtlinie 7.2 – Schleichwerbung

Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird.

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.



E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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